Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
ihre Chance. Sie lässt sich auf den Hocker neben ihm sinken. Das Plastik, das Leder darstellen soll, ist noch ganz warm von Elins Hintern.
Vanessa beugt sich zu Wille. Atmet den vertrauten Geruch ein. Tränen brennen in ihren Augenwinkeln. Ihre Lippen nähern sich seinem Ohr, als er sein Bierglas hebt.
»Wie konntest du mir das antun?«, flüstert sie.
Wille zuckt zusammen und ein paar Tropfen kaltes Bier spritzen aus dem Glas und landen auf Vanessas Oberschenkel.
»Nessa?«, sagt er heiser.
In diesem Moment dreht Jonte sich um.
»Was ist mit dir?«, fragt er.
Wille öffnet den Mund, aber Vanessa kommt ihm zuvor.
»Sag nichts. Sonst hält er dich für verrückt«, flüstert sie.
Wille klappt den Mund wieder zu, schaut Jonte an und schüttelt den Kopf.
»Aber vielleicht
bist
du auch verrückt?«, schlägt Vanessa ihm vor und Wille wird blass. »Oder ich bin wirklich hier und du kannst nichts dagegen tun. Such dir aus, was du glauben willst. Aber ich sehe alles, was du machst. Ich weiß alles. Jedes Mal, wenn du mit ihr poppst, sitze ich daneben und beobachte euch. Ich höre alles, was du ihr sagst.«
Sie haucht ihm leicht ins Gesicht und seine Augen weiten sich panisch.
»Du wirst nie wieder Geheimnisse vor mir haben«, flüstert sie und steht auf.
Als sie den Blick hebt, schaut Jonte ihr direkt ins Gesicht.
Nein, wird ihr klar. Nicht direkt in ihr Gesicht. Aber in ihre Richtung. Als würde er ahnen, dass sie hier irgendwo ist.
Vanessa wirft Wille einen letzten Blick zu. Er leert den Rest seines Biers in einem Zug.
»Ist alles okay?«, fragt Jonte und Wille schüttelt den Kopf.
»Ich glaube, ich hatte gerade einen üblen Flashback oder so was …«
Vanessa verschwindet in den Stroboskopblitzen und ein jubelnder Siegesrausch steigt in ihr auf. Aus den Augenwinkeln sieht sie Elin aus der Toilette kommen, und Vanessa fängt an zu kichern, es blubbert und platzt einfach aus ihr heraus.
Die Musik übertönt sie, als sie laut loslacht.
27. Kapitel
D
ie schweren Plastiktüten schlagen gegen Anna-Karins Beine. Sie geht neben ihrer Mutter, die nur eine halb volle Tasche trägt.
»Haben die Leute nichts Besseres zu tun, als hier dumm rumzustehen«, schnaubt Mama und schaut die Straße hoch.
Der Bürgersteig ist voller Menschen. Viele von ihnen haben gelbe T-Shirts und Pullis an. Die Geschäftsräume im Haus gegenüber ihrer Wohnung sind mit einem neuen Schild versehen worden. POSITIVES ENGELSFORS !, steht dort in lila Buchstaben auf gelbem Grund.
Seit sie vor einigen Wochen eröffnet haben, herrscht jeden Tag Feststimmung. Und es ist keine Minute vergangen, ohne dass Mama sich darüber beschwert hat.
»Mia!«, ruft eine Frauenstimme, gerade als Anna-Karin und ihre Mutter die Straße überqueren wollen.
Mama sieht ertappt aus, fast ängstlich. Eine Frau löst sich aus der Menge und geht auf sie zu. Sie kommt Anna-Karin bekannt vor. Ihre Haare sind grau, mit ein paar blonden Strähnen, die aussehen, als wären sie vergessen worden.
Die Frau umarmt Anna-Karins Mutter und scheint gar nicht zu merken, dass Mia es stocksteif über sich ergehen lässt. Dann streckt sie Anna-Karin die Hand entgegen und stellt sich als Sirpa vor.
»Ich bin mit deiner Mutter zur Schule gegangen«, sagt Sirpa. »Wir haben uns ein paarmal im Ica-Markt gesehen. Ich arbeite da.«
»Ah, ja«, sagt Anna-Karin.
»Heute findet ein kleines Treffen im Zentrum für ein Positives Engelsfors statt«, sagt Sirpa.
»Ja, das ist mir nicht entgangen«, sagt Mama spitz und Anna-Karin schämt sich.
»Sieht nett aus«, murmelt sie ausgleichend.
Sie stellt die Tüten auf dem Bürgersteig ab und versucht, Leben in ihre Hände zu schütteln, denen es fast völlig das Blut abgeschnürt hat. Der Fuchsbiss fängt an zu jucken.
»Ja, nicht wahr? Eine herrliche Stimmung!«, sagt Sirpa und schaut sehnsüchtig zum Zentrum. »Genau das, was Engelsfors braucht.«
Sie wendet sich an Anna-Karin.
»Wenn man so jung ist wie du, kann man sich sicher kaum vorstellen, dass Engelsfors früher eine blühende Stadt war. Aber wir werden unsere Heimat wieder aufblühen lassen, wenn wir lernen, die vielen Möglichkeiten um uns herum wahrzunehmen. Wollt ihr nicht mit reinkommen? Helena treffen? Helena Malmgren, meine ich.«
»Ich weiß sehr gut, welche Helena du meinst«, sagt Mama und fängt an, in ihrer Tasche nach Zigaretten zu wühlen.
»Sie ist einfach fantastisch, Mia. So ein Vorbild. So stark, nach all dem, was sie durchgemacht hat. Sie hat mein Leben
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