Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
verändert. Ich habe schon jahrelang diese Nackenbeschwerden, und dank Helena weiß ich jetzt, dass das nur ein Problem meiner inneren Einstellung ist. Es ist doch klar, dass ich Schmerzen bekomme, wenn ich immerzu negative, destruktive Gedanken habe. Wenn ich aber denke, dass es mir wieder gut gehen wird, dann werde ich meine Schmerzen los.«
Anna-Karin schaut ihre Mutter an, die nervös an einer Zigarette zieht, während Sirpa weiterredet. Sie weigert sich, auch nur ein Wort davon anzunehmen, das kann Anna-Karin deutlich sehen. Und es stimmt ja – das alles klingt ziemlich abgedreht, aber sieht Mama nicht, wie glücklich Sirpa ist?
»Vielleicht kann Helena dir auch mit deinem Rücken helfen?«, sagt Anna-Karin zu ihr.
»Wir müssen jetzt gehen«, sagt Mama nur und schleudert ihre Kippe weg.
»Wir haben es doch nicht eilig?«, sagt Anna-Karin und versucht, möglichst unschuldig auszusehen.
Mama wirft ihr einen wütenden Blick zu.
»Na, wenn das so ist!«, sagt Sirpa fröhlich.
Sie führt sie durch den Menschenauflauf auf dem Bürgersteig ins Zentrum für ein Positives Engelsfors. Drinnen sind noch mehr Leute. Wo man hinschaut, glückliche Gesichter. Als teilten alle etwas Großes und Wichtiges allein dadurch, gemeinsam hier zu sein.
Anna-Karin sieht Gustaf, der sich mit einem der Jungs aus seiner Fußballmannschaft unterhält, und noch ein paar andere aus der Schule. Die beiden Hannas aus ihrer Klasse. Den Kunstlehrer und Tommy Ekberg, von denen Minoo erzählt hat, dass sie beide dabei waren, als die Rektorin gefeuert wurde.
Anna-Karin bleibt stehen, und ihr Herz stockt, als sie Jari entdeckt.
Jari, in den sie so viele Jahre aus der Ferne verliebt war. Es gab Zeiten, da konnte sie kaum an etwas anderes denken als an ihn. Aber seit Jontes Party an Weihnachten ist alles anders und schon der Gedanke an ihn ist ihr unerträglich.
Ihr Körper verlangt förmlich danach zu fliehen, aber ausgerechnet da bemerkt Jari sie.
Für einen kurzen Moment mustert er sie, dann schaut er desinteressiert weg. Es sind mehrere Monate vergangen, seit sie sich das letzte Mal begegnet sind. Vielleicht hat er das Unerklärliche, das mit ihm und Anna-Karin passiert ist, ins Unterbewusstsein verdrängt. Sie hofft es.
Schnell geht sie weiter zu ihrer Mutter und Sirpa, stellt die Tüten wieder ab.
»Helena! Hier ist Besuch für dich!«, ruft Sirpa.
Eine Frau mit orangerot gefärbten Haaren dreht sich um.
Helena Malmgren. Elias’ Mutter.
Sie trägt ein halblanges Kleid aus dünnem, wehendem Stoff. Das kräftige Gelb lässt ihr Gesicht von unten leuchten.
»Mia!«, sagt sie und strahlt über das ganze Gesicht, als wäre Mamas Anblick ein fantastisches Geschenk. »Wie schön, dich zu sehen!«
Mama grunzt eine Antwort. Helena schaut zu Anna-Karin, mustert sie von oben bis unten. Anna-Karin fühlt sich von ihrer Aufmerksamkeit verunsichert und geschmeichelt zugleich.
»Streck dich, Mädchen«, sagt Helena. »Begegne der Welt mit einem Lächeln und die Welt wird dir mit einem Lächeln antworten.«
Sie zwinkert Anna-Karin zu, als würden sie ein Geheimnis miteinander teilen. Dann wendet sie sich wieder Mama zu.
»Ich habe von dem Brand letzten Winter gehört«, sagt sie.
Mama nickt nur.
»Trau dich, daran zu glauben, dass es der Anfang von etwas Gutem ist«, fährt Helena fort. »Es gibt immer Möglichkeiten, man muss sich nur dafür entscheiden, sie zu sehen. Wo sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere.«
»Das ist leicht gesagt«, faucht Mama. »Aber mein Vater ist jetzt behindert, und mir blieb nichts anderes übrig, als den Hof aufzugeben, auf dem ich groß geworden bin. Außerdem trage ich jetzt die ganze Verantwortung für Anna-Karin alleine.«
Mamas Worte breiten sich wie ein hässlicher Schmutzfleck in der Luft aus. Und die Wut, die in Anna-Karin brodelt, ist so gewaltig, dass es sie fast körperlich anstrengt.
Ich könnte dich zwingen, die Wahrheit zu sagen, denkt sie und schaut ihre Mutter an. Du übernimmst überhaupt keine Verantwortung. Du interessierst dich ja nicht mal für mich. Und du interessierst dich auch nicht für Großvater. Du besuchst ihn ja kaum im Altenheim. Und du warst es, die unbedingt in die Stadt ziehen wollte. Wir hätten es nicht tun müssen. Ich gehe jede Wette ein, dass du über den Brand
froh
warst.
Das Verlangen, Magie anzuwenden, ihre Mutter zu zwingen, die Wahrheit zu sagen, ist so groß, dass es in Anna-Karin überzukochen droht. Das Einzige, was stärker ist, ist die
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