Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
ich mit ihm Schluss gemacht hatte?«
Vanessa weiß nicht, was sie darauf antworten soll. Sie hätte wirklich nicht damit gerechnet, dass Wille sie so schnell ersetzen würde. Aber wenn Linnéa so ist wie jetzt, kann Vanessa das unmöglich zugeben.
»Er hat mich ja sogar noch angerufen, als ihr schon zusammen wart«, sagt Linnéa. »In der Hoffnung, dass er auf mich zurückgreifen kann, falls es mit euch schiefgeht. Es ist eine reine Zeitfrage, bis er anfängt, sich wieder bei dir zu melden.«
Vanessa starrt sie an. Die Wahrheit klingt so gnadenlos, wenn sie von Linnéa serviert wird. Und Vanessa fühlt sich dumm. Dumm, weil sie noch Gefühle für Wille hat. Dumm, weil sie nicht genauso stark ist wie Linnéa.
Sie hätte nicht mit ihr über diese Sache reden sollen. Sie hätte gar nicht erst herkommen dürfen.
Ich hätte gar nicht erst herkommen dürfen
.
Linnéa ist nicht auf die Wucht von Vanessas Gedanken vorbereitet. Der Satz bricht einfach in ihren Kopf ein.
Warum kann ich nicht einfach die Klappe halten?, denkt Linnéa.
Sie schafft es nicht, Vanessa ins Gesicht zu sehen. Zu groß ist ihre Angst, Vanessa könnte erkennen, dass sie diesen Gedanken gehört hat, und vielleicht sogar glauben, sie hätte es mit Absicht getan.
Es klingelt an der Tür.
»Bin gleich wieder da«, sagt Linnéa und steht auf.
Es gibt nicht viele Menschen, die unangemeldet vor ihrer Tür auftauchen, und sie will keinen von ihnen sehen.
Ganz besonders nicht die Frau mit weiß blondierten Haaren und einem kleinen Glitzerstein im Nasenflügel, die vor ihr steht, als sie öffnet.
»Hallo, Linnéa«, sagt Diana vom Jugendamt.
Sie macht ein bekümmertes Gesicht und ihr Blick jagt Linnéa eine Heidenangst ein.
Es ist irgendwas mit Papa, denkt sie. Warum sonst sollte Diana hier an einem Sonntagnachmittag auftauchen?
»Darf ich reinkommen?«
»Klar«, sagt Linnéa und lässt sie in die Wohnung.
Diana zieht nicht mal ihre Turnschuhe aus, sondern marschiert einfach durch. Das sieht ihr gar nicht ähnlich. Linnéa folgt ihr, hebt eine Jacke auf, die sie auf den Boden geworfen hatte, und hängt sie an den Kleiderhaken.
Normalerweise putzt sie stundenlang vor Dianas Besuchen, lüftet, um den Zigarettengeruch zu vertreiben, kratzt noch den letzten Zahncremerest vom Badezimmerspiegel, vernichtet jede einzelne Wollmaus, bis die gesamte Wohnung ein monumentaler Beweis für Linnéas Fähigkeit ist, ein reinliches, anständiges und wohlgeordnetes Leben zu führen. Jetzt sieht es natürlich aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen.
Vanessa schaut auf, als Diana und Linnéa ins Wohnzimmer kommen.
»Ach, du hast Besuch«, sagt Diana.
»Das ist Vanessa, eine Schulfreundin.«
Diana gibt Vanessa die Hand.
»Linnéa und ich haben etwas unter vier Augen zu besprechen«, sagt sie.
»Ist okay«, sagt Vanessa. »Ich muss sowieso nach Hause.« Sie wirft Linnéa einen kurzen Blick zu. »Bis dann.«
»Bis dann«, sagt Linnéa, während der messerscharfe Pürierstab Brei aus ihrem Herz macht.
Diana setzt sich auf das Sofa. Sie sieht sich um. Linnéa nimmt die qualmende Zigarette aus dem Aschenbecher und drückt sie aus.
»Das Mädchen sah aber nicht sehr gesund aus«, sagt Diana.
»Ihr Freund hat vor Kurzem mit ihr Schluss gemacht«, sagt Linnéa.
»Und da habt ihr ein bisschen miteinander gefeiert?«, sagt Diana und lässt den Blick durchs Zimmer schweifen.
Linnéa fühlt sich, wenn das überhaupt möglich ist, noch unbehaglicher. Worum geht es hier eigentlich?
»Kann sein, dass sie das getan hat«, sagt Linnéa. »Aber ich nicht. Ich ›feiere‹ nicht mehr.«
Dianas Nasenpiercing funkelt, als sie den Kopf dreht und Linnéa durchdringend ansieht.
»Kannst du mir erklären, weshalb du unsere drei letzten Termine versäumt hast?«
Es dauert einen Moment, ehe Linnéa versteht, was Diana da sagt. Sie fühlt sich wie in einem Albtraum, in dem sie auf einer Bühne steht und als Einzige den Text nicht kennt.
»Sie haben doch abgesagt«, sagt Linnéa.
Diana legt den Kopf schief. Sieht noch bekümmerter aus. Linnéa spürt, wie sich ihre Unruhe in Panik verwandelt. Im Unterschied zu allen anderen Jugendamtsmitarbeiterinnen ist Diana immer auf Linnéas Seite gewesen. Nur ihr hat sie es zu verdanken, dass sie in eine eigene Wohnung ziehen durfte und nicht ins nächste Kinderheim musste.
Aber mit der Wohnung kamen knochenharte Auflagen im Hinblick auf perfektes Betragen. Ein einziger Fehler genügt und alles stürzt ein.
»Das letzte Treffen wäre
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