Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
Tonlage rutscht, die sie selbst so schrecklich findet.
»Und Erik Forslund. Genauso schick wie immer.«
»Danke«, sagt er lachend.
Offenbar kümmert es ihn nicht im Geringsten, ob Helena etwas über seinen Umgang mit Elias weiß. Das beruhigt Ida ein bisschen.
»Wie schön, euch zu treffen«, sagt Helena und wendet sich wieder an Ida. »Ich habe Carina schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen, aber jetzt hat sie Krister und mich ja zu eurem Herbstfest eingeladen. Das wird bestimmt wunderbar. Es sind eben doch meist die Männer, die miteinander zu tun haben.«
»Ja, so ist es ja oft«, sagt Ida und lächelt.
»Es sind Menschen wie eure Eltern, die Engelsfors auf ihren Schultern tragen«, sagt Helena. »Ich hoffe wirklich, dass sie sich bei PE engagieren und dass ihr dasselbe tut. Ihr seid wichtige Vorbilder. Ich meine, eure Generation ist schließlich die Zukunft der Stadt.«
Helena überreicht ihnen zwei runde, gelbe Aufkleber. ICH DENKE POSITIV !, steht darauf. In der Mitte strahlt eine freundliche lila Sonne.
»Danke«, sagt Erik. »Es war sehr inspirierend, Ihnen zuzuhören.«
»Es bedeutet mir viel, dass du das sagst, Erik. Und ich hoffe wirklich, wir sehen uns bald wieder, damit wir noch mehr diskutieren können. Bringt eure Freunde mit!«
Helena wirft ihnen einen letzten warmen Blick zu, dann dreht sie sich um und verschwindet in dem gelben Meer.
Linnéa hört, dass Minoo und Vanessa ihren Namen rufen, aber sie denkt gar nicht daran, stehen zu bleiben.
Eine leise Stimme in ihrem Inneren, eine Stimme, die verdächtig nach Jakob klingt, sagt ihr, dass sie genau diese Situationen meiden sollte. Dass sie erst denken und dann handeln sollte, nicht so impulsiv und konfrontativ sein. Dass sie sich in der Schule gut benehmen muss, ganz besonders jetzt, wo das Jugendamt sie im Visier hat.
Sie weigert sich, ihr zuzuhören. Eine andere Stimme ist viel lauter.
Elias’ Stimme.
Elias, der verzweifelte, weil Helena und Krister nichts von Mobbing wissen wollten. Dem schon als kleines Kind klar war, dass seine Eltern sich vor ihren Freunden für ihn schämten.
Sie schämten sich, weil er nicht fröhlich oder sportlich genug war, weil seine Schulnoten nicht gut genug schienen und weil er nicht genug Spielkameraden hatte. Später schämten sie sich für seine Kleider, seine Schminke und seine gefärbten Haare. Er passte nicht in ihr Bild einer perfekten Engelsfors-Familie.
Sie weigerten sich zu sehen, wie schlecht es ihm ging, verschlossen sogar die Augen vor den Verletzungen an seinen Armen. Erst als Linnéa sie nach seinem Selbstmordversuch anrief, schauten sie widerwillig hin und besorgten ihm Hilfe.
Das war der Moment, an dem sie endgültig ihr die Schuld für seine Probleme zuschoben.
Jemand im gelben Polohemd greift nach ihrem Arm, aber sie geht weiter, ist fast da, als Helena sich plötzlich umdreht.
»Hallo, Linnéa«, sagt sie und lächelt breit.
Linnéa würde so gerne Helenas Gedanken lesen, aber sie kann das Risiko nicht eingehen, solange Viktor in der Nähe ist.
»Hast du noch etwas auf dem Herzen?«, fragt Helena und ein paar gelbe Hemden lachen.
»Weißt du eigentlich, bei wem du dich da eben eingeschleimt hast?«, fragt Linnéa. »Ida und Erik haben Elias am allermeisten gequält. Diese beiden haben sein Leben zerstört und nicht irgendwelche negativen Energien.«
Helenas Lächeln strahlt immer noch wie zehntausend Watt, aber sie legt den Kopf schief und seufzt, als wäre Linnéa ein trotziges Kleinkind.
»Du tust mir wirklich leid, Linnéa. Du lässt zu, dass diese destruktiven Gefühle dein Leben bestimmen. Und leider hast du meinen Sohn damit angesteckt. Hätten seine Freunde ihn nicht nach unten gezogen, würde er heute vielleicht noch leben.«
Der Schlag ist zu hart. Linnéa bekommt kein Wort mehr heraus, kann kaum noch Luft holen. Sie hat zwar geahnt, dass Helena so denkt, aber es ist etwas ganz anderes, es aus ihrem Mund zu hören.
Helena winkt, um ihre Truppe um sich zu scharen. Gemeinsam gehen sie zum Ausgang. Linnéa bleibt stehen. Versucht, ihr Herz zu überreden, weiterzuschlagen, ihre Lungen daran zu erinnern, wie man atmet.
»Linnéa …«
Vanessas Stimme dringt zu ihr durch. Linnéa dreht sich um und sieht sie neben Minoo stehen. Keine von ihnen sagt etwas. Es ist nicht nötig.
31. Kapitel
A
ls Minoo mit Vanessa und Linnéa aus der Aula kommt, wartet Anna-Karin auf sie.
»Ich denke, wir sollten reden«, sagt sie.
»Ja, aber nicht hier«, sagt Minoo.
Langsam leert
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