Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
sich die Eingangshalle und der Schülerstrom fließt träge in die Klassenräume. Der Gedanke, vielleicht zu spät zu Bio zu kommen, versetzt Minoo kurzfristig in Panik, aber das ist vor allem ein festsitzender alter Reflex. Vermutlich bemerkt ihr verwirrter Lehrer Ove Post nicht mal, dass sie nicht da ist. Er glaubt immer noch, dass sie Milou heißt.
Sie gehen die Treppe zu den Mädchentoiletten vor der Mensa nach unten und überprüfen, ob sie alleine sind.
»Was geht da vor sich?«, ist das Einzige, was Minoo sagen kann.
»Irgendwas stimmt nicht«, sagt Vanessa. »Aber ich habe keine Magie gespürt. Ihr?«
Anna-Karin und Linnéa schütteln die Köpfe. Minoo zuckt mit den Schultern.
»Ich war gestern in diesem Zentrum«, sagt Anna-Karin. »Eine alte Klassenkameradin von Mama hat uns mitgenommen. Dort habe ich auch nichts bemerkt. Obwohl es schon schwierig ist, Magie und das, was Helena da macht, auseinanderzuhalten, wenn ihr wisst, was ich meine.«
Minoo weiß es ganz genau. Sie hat selbst gemerkt, wie leicht man von so einer begeisterten Masse mitgerissen wird. Nach dieser Vorstellung muss Gustaf doch einsehen, dass Positives Engelsfors eine Sekte ist?
»Da ist doch was faul«, sagt Linnéa. »Am Freitag wird Adriana gefeuert und heute ist Tommy Ekberg Rektor und hat eine Zusammenarbeit mit Positives Engelsfors angeleiert.«
»Ich habe ihn im Zentrum gesehen«, sagt Anna-Karin.
»Denkt ihr, Helena steckt hinter Adrianas Entlassung?«, fragt Minoo.
»Vielleicht auch der Rat«, gibt Anna-Karin zurück.
»Warum sollte der Rat sie rausschmeißen wollen?«, sagt Vanessa.
»Vielleicht kursiert der Verdacht, dass Adriana den Rat hintergeht«, sagt Anna-Karin.
»Ich weiß nicht«, sagt Minoo. »Wenn der Rat dafür verantwortlich wäre, dann hätte er doch wohl kaum Tommy Ekberg als Stellvertreter ausgesucht. Er will doch Kontrolle über die Schule haben. Schließlich ist das hier ein Ort des Bösen und so.«
»Oh Mann!«, sagt Linnéa. »Ich bin so dämlich. Elias’ Vater ist doch ein hohes Tier in der Kommunalverwaltung. Für den ist es ein Leichtes, dafür zu sorgen, dass Adriana fliegt.«
Minoo fühlt sich mindestens genauso dämlich. Krister Malmgren ist der »starke Mann« der Stadtverwaltung und bekannt dafür, seinen Willen um jeden Preis durchzusetzen.
»Das stimmt«, sagt sie. »Sie haben gesagt, es wäre ein kommunaler Beschluss. Und auch, dass es mit Rebecka und Elias zu tun hat.«
»Aber Helena will den Menschen doch bloß helfen«, sagt Anna-Karin.
»Wie kann man nur so dermaßen naiv sein?«, faucht Linnéa.
»Immer mit der Ruhe«, sagt Vanessa. »Anna-Karin hat nicht mitbekommen, was nach der Versammlung passiert ist.«
Minoo klärt Anna-Karin auf, auch wenn es ihr widerstrebt zu wiederholen, was Helena gesagt hat.
»Warum kann etwas, das gut aussieht, nicht wenigstens ein Mal auch wirklich gut sein?«, murmelt Anna-Karin.
Vielleicht, weil wir in Engelsfors sind, denkt Minoo.
»Als Matilda uns warnen wollte, muss sie Helena gemeint haben«, sagt Linnéa.
»Vielleicht«, sagt Vanessa. »Oder den Rat. Oder beide. Oder etwas, das wir noch nicht mal bemerkt haben.«
»Erkennt man, dass ich das bin?«, fragt Olivia und hält ihre Skizze hoch.
Sie haben die Aufgabe bekommen, ihre Stimmung auf Papier festzuhalten, und Olivia hat mal wieder ein Selbstporträt gezeichnet. Ihr Gesicht besteht wie immer nur aus zwei großen Augen, die schwarze Tränen weinen. Über ihr schwebt eine Rasierklinge, die blutige Linien in den Himmel ritzt.
»Keine Sorge, niemand außer dir würde so was zeichnen«, sagt Linnéa.
Olivia schaut sie auf diese typische Olivia-Art an. Eine kurze Pause, in der sie versucht zu entscheiden, ob sie lachen oder sauer werden soll.
Dieses Mal zieht sich ein breites Grinsen über ihr Gesicht.
»Darf ich deins mal sehen?«, sagt sie.
Widerwillig schiebt Linnéa ihr Blatt nach vorne, hofft, dass Olivia nicht fragt, was es bedeuten soll.
Sie hat ein herzförmiges Blumengesteck gezeichnet, ein romantisches Geschenk. Aber zwischen den Blumen liegt ein blutendes, anatomisches Herz, das aussieht, als wäre es jemandem gerade aus dem Leib gerissen worden. Vielleicht ist es übertrieben, aber genauso fühlt sich Linnéa, wenn sie an Vanessa denkt.
»Verdammt, du bist einfach zu gut«, sagt Olivia und seufzt. »Wenn ich deine Bilder sehe, will ich nie wieder einen Stift in die Hand nehmen.«
Linnéa verdreht die Augen.
»Wie war es in der Aula?«, fragt Olivia und fängt an,
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