Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
Bedeutung.
»In eurem Alter ist man so damit beschäftigt, sich gegenseitig in Schubladen zu stecken«, sagt sie. »Wer ist hübsch, wer hat hässliche Klamotten, wer ist beliebt und wer nicht. Aber all das spielt keine Rolle. Äußerlichkeiten. Das Einzige, was ihr unterscheiden müsst, sind zwei Arten von Menschen.«
»Diejenigen, die auf diesen Scheiß hier reinfallen, und die, die das nicht tun?«, sagt Linnéa laut.
Vanessa kichert, stolz auf Linnéa. Sie kann richtig spüren, wie die ganze Aula die Luft anhält. Aber Helena lächelt nur.
»In Menschen mit positiver Einstellung. Und in solche mit negativer Einstellung«, sagt sie und zeigt auf Linnéa.
Erleichtertes Gelächter steigt aus dem Publikum hoch.
Vanessa dreht sich um. Linnéa verzieht keine Miene. Minoo dagegen ist feuerrot angelaufen.
»Ich weiß, es ist nicht immer leicht, daran zu glauben«, fährt Helena lächelnd fort. »Für manchen ist es vielleicht sogar schon schwierig, den
Mut
zu finden, daran zu glauben. Aber ihr dürft niemanden dafür verurteilen. Konzentriert euch auf euch selbst. Ich möchte, dass ihr euch eines einprägt: Wir formen unser Leben. Zum Besseren wie auch zum Schlechteren. Jeder Einzelne hat es in der Hand. Positives Engelsfors will euch helfen, die Möglichkeiten zu erkennen, nicht die Schwierigkeiten. Ihr alle könnt das werden, wovon ihr träumt, wenn ihr euch anstrengt und euch auf eure Ziele konzentriert. Schaut mich an. Hätte ich mich weiter an meinen Verlust geklammert, wäre ich untergegangen. Aber ich habe
etwas anderes
gewählt.
Die Zukunft
.«
Helena setzt ihren Vortrag fort, und Vanessa versteht genau, weshalb ihre Mutter ihr verfallen ist.
Was sie sagt, klingt so selbstverständlich. So einfach. Ein Teil von Vanessa möchte auch gerne daran glauben. Sie verspürt eine schwache, aber nagende Unruhe bei dem Gedanken daran, dass sie möglicherweise die falsche Einstellung
hat
. Womöglich wird sie all das Gute im Leben verpassen, von dem Helena behauptet, sie könne es ihnen bieten. Helena, die schärfere Konturen zu haben scheint als jeder andere hier in der Aula.
»Ich hoffe, dass ich Gelegenheit haben werde, euch alle wiederzusehen. Das Zentrum für ein Positives Engelsfors hat von neun Uhr morgens bis neun Uhr abends geöffnet. Ihr seid dort jederzeit willkommen. Und denkt daran: Begegne der Welt mit einem Lächeln, dann lächelt sie zurück!«
In den vorderen Reihen brandet Applaus auf und reißt die Aula mit wie eine Flutwelle, wächst zu einem mächtigen Dröhnen an. Vanessa bildet sich ein, dass sogar der Boden bebt, und erst einen Augenblick später wird ihr klar, dass er es tatsächlich tut. Hunderte von Füßen trampeln. Und ihre eigenen Füße bewegen sich im Takt der anderen mit.
Ida versetzt Erik einen Knuff, damit er sich vorwärtsbewegt. Sie haben es noch nicht mal aus der Bankreihe geschafft.
»Hör auf, da sind doch noch ewig viele vor uns«, sagt er.
»Aber du könntest ja wenigstens versuchen voranzukommen, oder?«
Ida seufzt genervt, als er keine Antwort gibt. Ihr Blick wandert zu der Clique mit den gelben Hemden, die vorne an der Bühne steht.
»Hast du gewusst, dass Kevin da mitmacht?«, fragt sie.
Erik zuckt mit den Schultern.
»Fast die ganze Fußballmannschaft ist doch dabei, da ist Kevin ja wohl keine Überraschung.«
G nicht, denkt Ida.
»Was hast du für einen Eindruck von der Sache?«, sagt Erik.
»Es ist bestimmt gut, wenn die Leute endlich aufhören, sich immerzu selbst leidzutun.«
»Exakt«, sagt Erik mit Nachdruck. »Wir sollten Helena zum Hockey einladen, damit sie die Mannschaft auf Trab bringt. Alle Sportstars haben Coaches, die ihnen beibringen, sich Ziele zu setzen und als Sieger zu fühlen.«
Endlich löst sich der Stau vor ihnen auf. Ida erreicht den Mittelgang und will sich gerade zur Tür vordrängeln, als sie eine Hand auf der Schulter spürt.
Als sie sich umdreht, steht Helena vor ihr.
»Ida Holmström«, sagt sie. »Ist das lange her.«
Ida ringt sich ein Lächeln ab. Es war ihr immer unangenehm, Helena zu begegnen, obwohl man ihr nie anmerken konnte, ob sie wusste, wie es ihrem Sohn in der Schule erging. Gewisse Leute behaupten ja, dass Ida und Erik dafür sorgten, dass Elias unglücklich war, aber Ida bleibt dabei: Er hatte es sich selbst zuzuschreiben, dass er gemobbt wurde. Es war schließlich seine Entscheidung, nicht mal versuchsweise ein bisschen normaler zu sein.
»Oh, hallo«, sagt Ida und hört, wie ihre Stimme in diese hohe
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