Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
Art zu wie niemand sonst, seit Elias gestorben ist.
Linnéa liebt sie dafür.
Sie liebt Vanessa.
Die Erkenntnis erwischt sie mit voller Wucht. Nicht zum ersten Mal, aber es ist immer wieder ein Schock. Ein Glücksgefühl, das durch ihren Körper rauscht. Sie muss sich selbst daran erinnern, dass es nur Botenstoffe sind, die ihrem Hirn vorgaukeln, alles wäre fantastisch. Sie weiß ja, dass es hoffnungslos ist. Und sie weiß, dass sie trotzdem nie aufhören wird zu hoffen.
»Hast du schon darüber nachgedacht, dass Helena dahinterstecken könnte?«, fragt Vanessa.
Linnéa versucht, sich wieder zu konzentrieren. Sie hat fast vergessen, worüber sie gerade gesprochen haben.
»Ich meine, sie glaubt doch, du hättest einen schlechten Einfluss auf Elias gehabt«, fährt Vanessa fort. »Wenn sie sich an Adriana gerächt hat, indem sie dafür gesorgt hat, dass sie fliegt, warum sollte sie mit dir nicht was Ähnliches machen? Ich bin mir todsicher, dass diese Diana auch bei PE ist.«
»Findest du das nicht ein bisschen weit hergeholt?«, sagt Linnéa und stellt ihre Füße in den Sand, sodass die Schaukel mit einem Ruck anhält.
»Ich weiß nicht«, sagt Vanessa. »Für mich klingt es mindestens genauso weit hergeholt, dass Nachbarn, die du gar nicht hast, sich über Partys beschweren, die es gar nicht gab.«
»Ich hoffe, du liegst falsch«, sagt Linnéa. »Mir wäre es lieber, es wäre nur ein Missverständnis und keine große Verschwörung.«
Ihr schießt ein Satz durch den Kopf, den Elias immer gesagt hat.
Nur weil du paranoid bist, heißt das nicht, dass sie nicht hinter dir her sind
.
Die Redaktion der
Engelsfors Nachrichten
hat für heute Feierabend gemacht. Alle außer Papa, der noch in seinem Büro sitzt und den Leitartikel für die nächste Ausgabe schreibt. Minoo kann ihn durch die Glasscheibe sehen. Manchmal hebt er die Hände von der Tastatur und starrt unzufrieden auf den Bildschirm. Bewegt stumm die Lippen. Runzelt die Stirn. Nickt. Als Minoo klein war, musste sie immer lachen, wenn sie ihren Vater beim Schreiben beobachtete.
Sie sitzt in der Kaffeeküche und blättert die letzte Ausgabe der
Engelsfors Nachrichten
durch, während sie wartet. Sie ist gekommen, um mit ihm über Helena zu reden. Er brauche nur noch eine Viertelstunde, hat er gesagt. Daraus sind jetzt schon fünfundvierzig Minuten geworden.
Die Zeitung enthält einen weiteren langen Artikel über die Elektrizitätsprobleme der letzten Wochen. Die Verantwortlichen sind »ratlos«, verkündet eine der Schlagzeilen. Niemand findet einen Fehler im System. Minoo blättert weiter.
Helena Malmgren lächelt ihr über eine ganze Seite entgegen. Der Zeitungspraktikant hat ein Porträt über sie verfasst. Minoo überfliegt den völlig unkritischen Text. Offenbar ist es Helena gelungen, während des Interviews einen weiteren Bewunderer zu rekrutieren.
Minoo blättert weiter. Ein Artikel über die unverändert hohe Gefahr von Waldbränden. Eine Doppelseite, die eine Frau anklagend neben einem Schlagloch vor ihrem Haus zeigt. Jemand hat einen Luchs gesehen und mit seinem Handy ein unscharfes Foto geschossen.
Minoo überblättert die Sportnachrichten, die Wettervorhersage und die Essenspläne der Schulkantinen. Auf der vorletzten Seite sind die Todesanzeigen, und sie kann nicht widerstehen, sie zu lesen. Es ist fast schon zwanghaft. Ihr Blick gleitet über die Symbole. Es gibt Kreuze, Tauben, Maiglöckchen, strahlende Sonnenuntergänge, Boote, die Wappen verschiedener Sportvereine …
Sie ist immer enorm erleichtert, wenn niemand im Alter ihrer Eltern gestorben ist.
Aber heute stolpert sie über eine Jahreszahl, die sie beunruhigt, und einen Namen, den sie kennt. Leila Barsotti. Zweiundvierzig Jahre alt. Minoos erste Lehrerin.
Minoo ist ihr schon einige Jahre nicht mehr begegnet, sie hat nicht mal mehr an sie gedacht. Aber in der Grundschule war Leila ihr Idol. Minoo weinte sogar vor den ersten Sommerferien, weil sie sich nicht von ihr und den vielen tollen Schulbüchern trennen wollte.
Sie hinterlässt Ehemann und zwei Kinder. Minoo schlägt die Zeitung zu, als Papa sich schwer neben ihr auf den Stuhl fallen lässt.
»Wie geht’s?«, fragt er.
»Ich habe eben gelesen, dass Leila Barsotti gestorben ist.«
»Ja, stimmt. Leila. Tut mir leid, ich habe vergessen, dir davon zu erzählen«, sagt er und schaut sie bekümmert an. »Wir haben in der letzten Zeit wohl nicht so viel miteinander geredet wie sonst.«
»Nein, das haben wir wohl
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