Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
Frauenstimme ist sogar bei geschlossenem Fenster noch gut zu verstehen.
»Ich muss los«, sagt Minoo. »Nicht dass ich Psychoexpertin wäre, aber ich glaube, deine Mutter hat eine Depression. Soll ich versuchen, ein paar Telefonnummern zu organisieren? Meine Mutter weiß garantiert, an wen man sich wenden kann.«
»Danke«, sagt Anna-Karin. »Aber Mama würde nie irgendwo anrufen.«
»Denk noch mal drüber nach«, sagt Minoo.
Sie streichelt ein bisschen unbeholfen über Anna-Karins Arm, und Anna-Karin ist so überrumpelt, dass sie gar nicht reagieren kann, bevor Minoo ins Auto einsteigt.
34. Kapitel
O
h nein, was machen die denn da?«, sagt Ida. »Das ist so billig.«
»Vielleicht solltest du sie auf die Party heute Abend einladen?«, sagt Erik.
Er und Robin lachen, und alle drei schauen zu Michelle und Evelina, die am anderen Ende des Korridors laut kreischend so tun, als würden sie mit ihren Typen aus der Zwölften kämpfen.
Ida kann absolut nicht verstehen, warum Vanessa mit ihnen befreundet ist. Verglichen mit den beiden ist Vanessa geradezu hyperintelligent und geschmackvoll. Michelle und Evelina kleben immer an älteren Jungs, tragen grundsätzlich zu enge Klamotten, sind zu stark geschminkt und lachen zu oft und zu laut. Als hätten sie noch nie im Leben nachdenken müssen.
»Kennt ihr Evelinas Blog?«, sagt Erik. »Die Frau ist echt hirntot.«
»Gut aussehende Mädchen sind immer hirntot«, sagt Robin, als würde er eine Tatsache verkünden, ein Naturgesetz, das niemand infrage stellen kann.
Ida wirbelt herum und schaut ihn an.
»Wie meinst du das?«
Robins Blick flackert nervös.
»Ist doch so«, sagt er. »Gut aussehende Mädchen müssen nicht schlau sein, um im Leben klarzukommen, deshalb ist ihr Hirn total unterentwickelt.«
»Dann hältst du mich also für hirntot?«, sagt Ida.
»Natürlich nicht«, sagt Robin.
»Ach, nein? Also findest du mich hässlich?«
»Hör schon auf, Ida«, stöhnt Erik, während Robin gleichzeitig faselt, dass es natürlich auch Ausnahmen gibt.
Ida beißt die Zähne zusammen. Keine Szene machen. Sie muss sich ihre Kräfte einteilen.
Und außerdem treffen sie sich heute Abend alle beim Herbstfest ihrer Eltern. Mama hat die Party bis ins Detail durchgeplant. Nichts ist dem Zufall überlassen. Nichts darf die Stimmung zerstören.
»Ich muss nach Hause und bei den Vorbereitungen helfen«, sagt Ida. »Tut mir den Gefallen und kommt pünktlich.«
Sie lächelt Erik und Robin strahlend an, um zu zeigen, dass alles vergeben und vergessen ist, und geht los. Die sonnengelben Aufkleber leuchten von mindestens jeder zehnten Spindtür, als sie den Flur entlanggeht. ICH DENKE POSITIV ! ICH DENKE POSITIV ! ICH DENKE POSITIV !
Sie geht die Haupttreppe nach unten. In der Eingangshalle lehnt Viktor an der Wand gegenüber, neben der Treppe, die zur Sporthalle führt. Als er Ida sieht, schlendert er auf sie zu. Als hätte er auf sie gewartet.
Was soll das jetzt schon wieder?, denkt Ida.
Irgendwas muss ja sein. Irgendwas ist immer. Hätte der Rat Anna-Karin nicht einfach gleich mitnehmen können, statt ihrer aller Zeit zu verschwenden? Ida hat es so satt. Sie hätte gerne die Wahrheit über das, was Anna-Karin gemacht hat, erzählt. Aber das Buch sagt ja, dass sie mit den anderen zusammenarbeiten muss.
»Freust du dich auf heute Abend?«, sagt Viktor und bleibt vor ihr stehen.
»Wieso?«, sagt Ida und setzt ihre Sonnenbrille auf.
»Anscheinend kommt ja die ganze High Society von Engelsfors zu euch nach Hause«, sagt er mit einem Lächeln.
Warum nur klingt alles, was er sagt, wie eine Beleidigung?
»Bist du sauer, weil du nicht eingeladen bist, oder was?«, sagt Ida
»Ich fürchte, es würde mir ein bisschen schwerfallen, mich einzufügen.«
Auch das klingt wie eine Beleidigung.
»Vermutlich«, sagt sie.
Ihr Blick wandert über seine versnobten Stockholm-Klamotten und sein porenloses Gesicht. Es geht ja gar nicht anders: Viktor ist garantiert schwul. Kein Junge kann so gut aussehen und durchgehend so perfekte Haare haben, ohne schwul zu sein.
»Was willst du eigentlich?«, sagt sie. »Ich hab’s eilig.«
»Ich wollte nur wissen, ob du in letzter Zeit mal mit dem Buch der Muster geplaudert hast? Schließlich bist du doch die Einzige, die darin lesen kann, oder?«
Sie weiß nicht, worauf er hinauswill, und sie hat nicht die Absicht, sich so einfach austricksen zu lassen.
»Nein, habe ich nicht. Und ja, bin ich. Zufrieden?«
Viktor lächelt noch ein bisschen
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