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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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Jahrhunderten verlassen, oder als schliefen sie alle seit gestern ausgestreckt in den Gräbern.
    »Willst du umkehren? Das Boot ist noch da.«
    Es schien, als hörte sie nicht.
    »Antworte, Foscarina!«
    »Laß uns gehen, laß uns gehen« – antwortete sie. – »Wohin wir auch gehen, das Schicksal ändert sich nicht.«
    Ihr Körper gab der Bewegung der Räder, dem langsamen Rollen nach; und sie getraute sich nicht, diese mechanische Bewegung zu unterbrechen, die leiseste Anstrengung, die geringste Mühe wiederstrebte dem von lastender Trägheit bedrückten Körper. Ihr Gesicht glich jenen seinen Aschenlagen, die sich um glühende Kohlen bilden und deren Verglimmen verhüllen.

    »Teure, teure Seele« – sagte der Geliebte, sich zu ihr neigend und ihre bleiche Wange mit seinen Lippen streifend – »presse dich an mich, verlasse dich auf mich, sicher und fest. Ich werde dich nicht verlassen, und du wirst mich nicht verlassen. Wir werden sie finden, wir werden die verborgene Wahrheit finden, auf der unsere Liebe für immer ruhen soll, unveränderlich. Verschließe dich nicht vor mir, dulde nicht einsam, verbirg mir nicht deine Qualen! Sprich zu mir, wenn dein Herz kummergeschwellt ist. Lasse mich hoffen, daß ich dich trösten könnte. Nichts soll zwischen uns verschwiegen werden und nichts verheimlicht. Ich wage dich an ein Bündnis zu erinnern, das du selbst vorgeschlagen hast. Sprich zu mir, und ich will dir immer antworten, ohne zu lügen. Laß mich dir helfen, denn von dir kommt mir so viel Gutes! Sage mir, daß du nicht fürchtest, zu leiden ...
    Ich halte deine Seele für fähig, den ganzen Schmerz der Welt zu ertragen. Lasse mich nicht den Glauben an deine Kraft der Leidenschaft verlieren, um derentwillen du mir mehr als einmal göttlich erschienst. Sage mir, daß du dich nicht fürchtest, zu leiden ... Ich weiß nicht; vielleicht täusche ich mich ... Aber ich fühlte in dir einen Schatten, gleichsam ein verzweifeltes Wollen, dich zu entfernen, zu entziehen, ein Ende zu finden ... Warum? Warum? ... Und vorher, während ich die furchtbare Öde betrachtete, die uns hier lockt, wurde mein Herz plötzlich von einem großen Schrecken erfaßt, weil ich dachte, daß auch deine Liebe sich ändern könnte wie alles, vergehen, sich auflösen. ›Du wirst mich verlieren‹ Das sind deine Worte, Foscarina, über deine Lippen sind sie gekommen!«
    Sie antwortete nicht. Und zum erstenmal, seit sie ihn liebte, schienen seine Worte ihr leer, eitler Schall, der die Luft bewegte und keine Macht über sie hatte. Zum erstenmal erschien er selbst ihr als eine schwache und ängstlich strebende Kreatur, die den unverbrüchlichen Gesetzen sich beugen mußte. Sie hatte Mitleid mit ihm wie mit sich selbst. Auch er stellte ihr die Bedingung, heldenhaft zu sein, die Bedingung des Schmerzes und der Gewaltsamkeit. Während er versuchte, sie zu trösten und aufzurichten, prophezeite er ihr die harten Prüfungen,bereitete er sie auf Folterqualen vor. Aber wozu der Mut? wozu der Zwang? was lag an den armseligen menschlichen Aufregungen? Und warum dachten sie an die Zukunft, an das Ungewisse Morgen? Ganz allein die Vergangenheit herrschte rings umher, und sie waren nichts, und alles war nichts. »Wir sind Sterbende, ich und du, wir sind zwei Sterbende. Laß uns träumen und sterben.« – « »Still!« – hauchte sie matt, als ginge sie zu einer Begräbnisstätte, und auf ihren Lippen erschien ein schwaches Lächeln, gleich dem, das über die Landschaft gebreitet lag, und es blieb dort, unbeweglich wie auf den Lippen eines Bildnisses.
    Die Räder rollten, rollten langsam auf der weißen Straße längs den Dämmen der Brenta. Der Fluß, prächtig und sieghaft in den Sonetten der galanten Priester, wenn sie in ihren von Musik und Lust erfüllten Barken auf seiner Strömung dahinglitten, glich jetzt einem bescheidenen Kanal, auf dem blaugrüne Enten scharenweise wateten. In der niedrigen und wasserreichen Ebene dampften die Felder, die Pflanzen entblätterten sich, und die Blätter faulten in der Feuchtigkeit des Erdreichs. Der langsame goldige Dunst schwebte über einer ungeheuren vegetalen Auflösung, die sich auch den Steinen, den Mauern, den Häusern mitzuteilen und sie zu zerstören schien, wie das abgefallene Laub. Von der Foscara bis zur Barbariga verfielen die Patriziervillen – in denen das in den blassen Adern flutende Leben, anmutig vergiftet durch Schminken und Wohlgerüche, erloschen war in schmachtenden Scherzen über ein

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