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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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Schiffchen, jene Art von hellsichtigem Halbschlaf ausgekostet, in dem alle Schmerzen ausgeschaltet scheinen, und einzig die Visionen der Poesie Leben gewinnen!
    »Erzähle sie« – bat sie und wollte hinzufügen: – »es wird die letzte sein.« Aber sie hielt an sich, denn sie hatte vor dem Freunde ihren festen Entschluß geheim gehalten.
    Er lachte.
    »Ach, du bist auf Geschichten aus wie Sofia.«
    Sie fühlte bei diesem Namen, wie beim Namen des Frühlings, ihr Herz sich zusammenziehen; die Grausamkeit ihres Geschickes glitt über ihre Seele, und ihr ganzes Sein drängte nach den verlorenen Gütern.
    »Sieh« – sagte er und zeigte auf die schwelgende Wasserebene, die sich dann und wann bei dem leisen Windhauch ein wenig kräuselte. – »Drängen diese endlosen Linien des Schweigens nicht danach, Musik zu werden?«
    In dem bleichen Abenddämmerlichte schwammen die Inseln in der Lagune leicht und unkörperlich, wie am Himmel die zarten Wölkchen. Die langen, dünnen Streifen des Lido und des Festlandes sahen schattenhaft aus wie jene schwärzlichen Bruchstücke, die strichweise auf den besänftigten Wogen treiben. Torcello, Burano, Mazzorbo, San Francesco del Deserto wirkten von weitem nicht wie feste Erde, sondern wie untergegangenes Land, dessen Gipfel über den Wasserspiegel hinausragt wie die Maste gestrandeter Schiffe. In dieser weiten Einsamkeit waren Zeugnisse für Menschentätigkeit nur undeutlich zu erkennen; wie Schriften auf uralten Denksteinen, die die Zeit verwischt hat.
    »Als nun also der Meister der Glasblasekunst im Hause des Zeno die berühmte Orgel des Matthias Corvinus preisen hörte, rief er: › Corpo di Baco! Ihr sollt sehen, was ich mit meinem, Blasrohr für eine Orgel machen kann; ich will, daß meine Orgel die Göttin unter den Orgeln sei! Dant sonitum glaucae, per stagna loquacia cannae ... Das Wasser der Lagunen soll den Ton wiedergeben, und Pfähle und Steine und Fische sollen mitsingen! Multisonum silentium ... Ihr sollt sehen, Corpo di Diana! ‹ Alle Anwesenden lachten, außer Giulia da Ponte, denn die hatte schlechte Zähne. Und Sansovino hielt einen Vortrag über Wasserorgeln. Aber der Prahlhans lud, ehe er Abschied nahm, die ganze Gesellschaft ein, seine neue Musik am Himmelfahrtstage anzuhören, und versprach, der Doge werde inmitten der Lagune auf seinem Bucentaur anhalten, um zu lauschen. An diesem Abend ging in Venedig das Gerücht, Dardi Seguso habe den Verstand verloren; und der Rat, der für seine Glasbläser eine große Zärtlichkeit empfand, schickte einen Boten nach Murano, um Erkundigungen einzuziehen. Der Bote fand den Künstler mit seiner Buhle Perdilanza del Mido,die ihn unruhig und erschreckt liebkoste, denn es kam ihr vor, als ob er irre rede. Nachdem der Meister ihn flammenden Auges betrachtet hatte, brach er in ein gewaltiges Gelächter aus, das für seinen Geisteszustand beruhigender war als irgendein Wort; und ruhig befahl er, dem Rat zu berichten, daß am Himmelfahrtstage Venedig, nebst San Marco, dem Canalazzo und dem Dogenpalaste ihr blaues Wunder erleben würden. Und tags darauf machte er eine Eingabe, um eine von den fünf Inselchen zu erhalten, die um Murano herum wie Satelliten um einen Planeten gelagert waren und die heute entweder verschwunden oder in Morast verwandelt sind. Nachdem er das Wasser genau untersucht hatte, wählte er unter Temódia, Trencóre, Galbaia, Mortesina und Fólega Temódia, wie man eine Braut wählt. Und Perdilanza del Mido fing an, sich zu grämen... Sieh, Fosca! Vielleicht gleiten wir gerade jetzt über die Reste von Temódia. Die Pfeifen der Orgel sind im Schlamm begraben, aber sie werden nicht vermodern. Siebentausend waren es. Wir gleiten über die Trümmer eines Waldes von tönendem Glas. Wie die Schlingpflanzen hier zart sind!«
    Er beugte sich über das herrliche Wasser und sie ebenfalls über die andere Lehne. Die Bänder, Federn, Sammetstoffe und anderen eleganten Zutaten, aus denen mit auserwähltem und feinem Geschmack der Hut der Foscarina zusammengestellt war; ihre Augen und der blaue Schatten, der sie umränderte; das Lächeln selbst, durch das sie ihrem anmutsvollen Welken einen Zauber zu verleihen verstand; der Narzissenstrauß, der vorn am Schiff an Stelle der Laterne angebracht war; die seltsam fremden Vorstellungen des Dichters; die phantastischen Namen der verschwundenen Inseln; das Blau des Himmels, das zwischen dem schneeigen Dunst bald auftauchte, bald verschwand; das schwache Gezwitscher von einem

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