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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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der Kristalluft widerzuspiegeln gleich einer Fata Morgana der Wüste, und dieser Anblick der Natur lohnte es, die Auserlesenheit dieses Traumes von Kunst zu verherrlichen, denn keine Herbstpracht in Gärten und Wäldern war – in der Erinnerung – der göttlichen Beseelung und Verklärung des alten Steins vergleichbar.
    Wahrlich, sollte sich nicht ein Gott der Stadt nahen, die sich ihm darbietet? fragte ich mich selbst, überwältigt von der Sehnsucht, dem Verlangen und dem Willen zu genießen, was die Dinge um mich her wie von einem rasenden Fieber der Leidenschaft ergriffen ausströmten. Und ich beschwor den gewaltigsten Künstler herauf, daß er mir in den kühnsten Formen und mit den glühendsten Farben den sehnsuchtsvoll erwarteten jungen Gott darstelle.
    Und er nahte! Der umgekehrte Himmelskelch ergoß über alle Dinge eine Flut von Licht, die meine Augen erst nicht zu fassen vermochten. Sie überstrahlte an Glanz selbst die leuchtendste Pracht, die der entflammte Geist oder der unfreiwillige Traum ersonnen hatten. Wie eine unbekannte, veränderliche, metallische Materie, in die sich Myriaden von Bildern einer unbestimmten zerfließenden Welt abzeichneten, aus denen vermöge einer wunderbar mühelosen Zerstörungs- und Schöpfungskraft ein beständiges Rauschen immer neue Harmonien erzeugte, so erschien das Wasser. Der vielgestaltige und beseelte Stein, einem Wald und einem Volk vergleichbar – diese unermeßliche, stumme Masse, aus der der Genius der Kunst die geheimen Gedanken der Natur schöpfte, auf der die Zeit ihre Mysterien anhäufte, und in der der Ruhm seine Zeichen eingrub, durch deren Adern der menschliche Geist zum Ideal emporstieg, wie der Saft durch die Fasern der Bäume zur Blüte aufsteigt – der vielgestaltige und beseelte Stein nahm unter den beiden Wundern von einem Augenblick zum andern so intensive und neue Lebensgestalt an, daß es schien, als sei für ihn in Wahrheit das Naturgesetz gebrochen, und seine ursprüngliche Leblosigkeit erstrahle in wunderbarer Empfindungsfähigkeit.
    Da erzitterte jeder Hauch wie in einem blitzartigen Aufleuchten. Von den Kreuzen auf der Höhe der vom Gebet geschwellten Kuppeln bis zu den feinen salzhaltigen Kristallen, die unter den Brückenbogen schwebten, erglänzte alles in jauchzendem Lichte. Und wie aus seinem Auslug der Matrose der unter ihm mit Ungeduld harrenden und wie ein Sturmwind bewegten Mannschaft den schrillen Schrei aus voller Lunge zuruft, so zeigte der goldene Engel auf der Spitze des höchsten Turmes endlich die flammende Verkündigung an.
    Und er erschien. Er erschien auf einer Wolke sitzend, wie auf einem feurigen Wagen, den Saum seines Purpurmantels hinter sich schleifend, gebieterisch und sanft, zwischen den halbgeöffneten Lippen Waldesmurmeln und Waldesschweigen, die langen Haare um den starken Hals flatternd wie eine Mähne und mit nackter Titanenbrust, die dem Atem der Wälder sich anpaßt. Er neigte sein jugendliches Antlitz zu der schönen Stadt. Und von diesem Antlitz ging ein unsagbarer, nicht menschlicher Zauber aus, etwas von weicher und grausamer Bestialität, womit die Augen unter den schweren Lidern, aus denen tiefe Erkenntnis sprach, in Widerspruch standen. Und deutlich konnte man durch seinen ganzen Körper das ungestüme Klopfen und Rasen des Blutes verfolgen, bis in die Zehenspitzen der behenden Füße, bis in die äußersten Fingerspitzen seiner starken Hände, und etwas Geheimnisvolles war über sein ganzes Wesen gebreitet, das die Freude zu verbergen schien, wie die blühenden Trauben den Wein verbergen. Und all das rote Gold und der Purpur, den er mit sich trug, war wie die Kleider seiner Sinne – – –
    Mit welch zuckender Leidenschaft in ihren tausend grünen Gürteln und unter ihren unermeßlichen Geschmeiden gab sich die schöne Stadt dem herrlichen Gotte hin!«
    In die aufsteigende Region der Worte erhoben, schien die Massenseele plötzlich den Begriff der Schönheit erreicht zu haben wie einen nie zuvor erklommenen Gipfel. Und es ergriff sie fast wie Bestürzung. Die Beredsamkeit des Dichters wurde von dem Eindruck der ganzen Umgebung unterstützt: sie schien die Rhythmen, denen die ganze Kraft und die ganze Anmut der bildlichen Darstellungen folgten, wiederaufzunehmen und fortzusetzen. Sie schien die unbestimmten Harmonien zwischen den durch Menschenkunst geschaffenen Formen und den Eigenschaften der natürlichen Atmosphäre, in der sie fortbestehen, zusammenzufassen. Darum war die Stimme von solcher

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