Feuer (German Edition)
erneute sich in ihr, aber noch intensiver, aus der Flamme geboren, die nicht erlischt, und aus der Glut, die nicht verdorrt. Die köstlichen Früchte hingen über ihrem Haupte wie die Krone eines spendenden Königs. Und der Mythos vom Granatenbaum gewann wieder Leben, wie beim Vorübergleiten der übervollen Barke auf den abendlichen Wassern. – Wer war sie? Persephone, die Königin der Schatten? Hatte sie dort gelebt, wo alle menschlichen Leidenschaften nur ein Spiel des Windes in dem Staube einer Straße ohne Ende erschienen? Hatte sie unter der Erde die Welt der Quellen behütet und die Wurzeln der Blumen gezählt, die so bewegungslos waren wie das Blut in einem versteinerten Körper? War sie müde oder war sie trunken von den Tränen und dem Lachen und den menschlichen Lüsten, und davon, daß sie, eines nach dem andern, alle sterblichen Dinge berührt hatte, um sie erblühen, sie vergehen zu machen? Wer war sie? Hatte sie die Städte wie eine Geißel geschlagen? Hatte sie für die Ewigkeit mit ihrem Kusse die Lippen geschlossen, die da sangen, die Schläge herrischer Herzen aufgehalten, Jünglinge mit ihrem dem Schaume des Meeres gleichen salzigen Schweiße vergiftet? Wer war sie? Wer war sie? Welche Vergangenheit hatte sie so bleich gemacht, und so glühend und gefahrvoll? Hatte sie schon alle ihre Geheimnisse gekündet und alle ihre Gaben gegeben? Oder konnte sie den neuen Geliebten, für den das Leben, der Wunsch und der Sieg in eins verschmolzen, noch mit neuen Gaben überraschen? – Das alles, und mehr noch, viel mehr, wurde traumhaft hervorgerufen durch die zarten Adern in ihren Schläfen, die sanfte Wellenlinie ihrer Wangen, ihre breiten Hüften und den tiefen, fast meeresdunkeln Schatten, der das Element war, in dem dieses Antlitz lebte, wie das Auge in seinem eigenen feuchten Glanz lebt.
»Alles Gute und alles Schlimme, das, was ich weiß, und das, was ich nicht weiß; das, was du weißt, und das, was du nicht weißt; alles, alles war für die Fülle unserer Liebesnacht.« Leben und Traum waren eins. Sinne und Gedanken waren wie Weine, die in einem Gefäß zusammengemischt sind. Ihre Kleider, das nackte Gesicht, ihre Hoffnungen und Blicke wurden eins mit den Pflanzen des Gartens, mit der Luft, mit den Sternen, mit der Stille. Die geheime Harmonie, in der die Natur die Verschiedenheiten und Gegensätze vermischt und verborgen hat, wurde offenbar.
Hehrer Augenblick, ohne Wiederkehr. Ehe noch die Seele sich dessen bewußt war, machten die Hände die Bewegung des Besitzergreifens, berührten das Fleisch, das süße, kühle, zogen es an sich und genossen es.
Als die Frau die Hände des Mannes auf ihren nackten Armen fühlte, wandte sie den Kopf ins Dunkel, als ob der Schreck sie überwältigte. Zwischen den erlöschenden Augenlidern, Zwischen den ersterbenden Lippen glänzten das Weiße der Augen und ihre weißen Zähne wie Dinge, die zum letzten Male erglänzen. Dann, plötzlich, hob sie den Kopf wieder in die Höhe, belebte sich wieder; ihr Mund suchte den Mund, der sie suchte. Der eine preßte sich auf den andern. Kein Siegel war je stärker. Der Baum und die Liebe bedeckten die beiden Entrückten.
Sie lösten sich; sie blickten sich an, ohne sich zu sehen. Sie sahen nichts mehr. Sie waren blind. Sie hörten ein schreckliches Dröhnen, als ob das Brausen der ehernen Glocke zwischen ihren eigenen Stirnen von neuem ertöne. Dann konnten sie den dumpfen Schlag einer Frucht hören, die von dem Zweige, den sie in ihrer leidenschaftlichen Umarmung erschüttert hatten, ins Gras fiel. Sie schüttelten sich, wie um etwas abzuwerfen, das sie beschwerte. Sie sahen sich wieder, sie wurden wieder klar. Sie hörten die durch den Garten zerstreuten Stimmen der Freunde, das undeutliche ferne Geräusch auf den Kanälen, auf denen vielleicht die festlichen Züge von vorhin heimkehrten.
»Nun?« fragte der junge Mann, bis ins innerste Mark verbrannt von diesem Kuß aus Sinnenglut und Seele.
Die Frau bückte sich, um den Granatapfel aus dem Grase aufzunehmen: Er war reif, beim Fallen hatte er sich geöffnet, und der blutrote Saft lief heraus, badete die heiße Hand und befleckte das helle Keid. Mit der Vision der beladenen Barke, der bleichen Insel und der Asphodeloswiesen kamen dem Gedächtnis der Liebenden die Worte des Erlösers wieder in den Sinn: »Dies ist mein Leib ... Nehmet hin und esset!«
»Nun?«
»Ja.«
Mit einer instinktiven Bewegung preßte sie die Frucht in der Faust, als ob sie sie ausdrücken
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