Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns
Mitglied der psychiatrischen Abteilung.
Ich glaubte nicht nur, die Mitglieder meiner Familie würden sich in andere Personen verwandeln, was bei paranoiden Halluzinationen oft vorkommt, sondern ich behauptete auch, mein Vater sei ein Betrüger. Diese Wahnvorstellung hat einen speziellen Namen, nämlich Capgras-Syndrom, das der französische Psychiater Joseph Capgras 1923 erstmals beschrieb, als er es mit einer Frau zu tun hatte, die glaubte, ihr Mann habe einen »Doppelgänger«. Jahrelang glaubten die Psychiater, dieses Syndrom sei ein Auswuchs der Schizophrenie oder anderer Geisteskrankheiten, in neuerer Zeit schreiben die Ärzte es jedoch neurobiologischen Ursachen wie Gehirnläsionen zu. Eine Studie zeigte, dass das Capgras-Syndrom durch strukturelle Komplikationen und Komplikationen des Schaltkreises im Gehirn verursacht werden kann, als würden Teile des Gehirns, die für die Interpretation dessen zuständig sind, was wir sehen (»Hey, dieser Mann mit dunklem Haar, etwa 1,75 Meter groß und 86 Kilogramm schwer, sieht aus wie mein Dad«), nicht mit unserem emotionalen Verständnis zusammenpassen (»Das ist mein Dad, er hat mich großgezogen«). Es ist ein bisschen vergleichbar mit dem Déjà-vu-Erlebnis, wenn wir eine starke Intimität und Vertrautheit empfinden, die jedoch mit nichts zusammenhängt, was wir zuvor je erlebt haben. Wenn solche fehlenden Übereinstimmungen vorkommen, versucht das Gehirn der emotionalen Ungereimtheit einen Sinn zu geben, indem es eine ausgeklügelte paranoide Fantasie entwickelt (»Sieht aus wie mein Dad, aber ich fühle nicht, dass es mein Dad ist, also muss es ein Betrüger sein«), was direkt aus dem Film Die Invasion der Körperfresser zu stammen scheint.
EEG-Videoaufzeichnung, 24. März, 1.00 Uhr, 6 Minuten
Ich schlafe im Bett, trage ein grün-braun gestreiftes T-Shirt und eine weiße Baumwollmütze. Die elfenbeinfarbenen Bettlaken sind bis über meinen Hals gezogen, die gepolsterten Seitengitter auf die höchste Stufe ausgefahren, sodass das Bett von oben aussieht wie ein Stubenwagen für Erwachsene. Ich schlafe in Embryonalstellung und umklammere mein Kissen. Kurz darauf wache ich auf, fummle an meiner Mütze herum, sehe verärgert aus und ziehe an dem Patienten-Identifizierungsarmband an meiner rechten Hand, wobei ich die Arme über der Brust verschränke. Ich greife nach meinem Handy.
Ende der Videoaufzeichnung.
Ich muss pinkeln. Ich schnappe meinen rosa Rucksack, ziehe die Schnur heraus und gehe zur Gemeinschaftstoilette. Als ich meine schwarze Leggins und meinen Slip bis zu den Knien hinunterschiebe, werde ich das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden. Ich schaue nach rechts – ein großes braunes Auge starrt mich durch einen Schlitz in der Tür an.
»Hau ab, verdammt noch mal!«
Ich bedecke meine Blöße, ziehe meine Hosen wieder hoch und renne zurück ins Bett, ziehe mir die Decke bis über die Augen. Ich rufe meine Mama an.
»Sie versuchen, mir zu schaden. Sie machen sich über mich lustig. Sie wollen mir etwas in den Arm spritzen«, flüstere ich und versuche, meine Stimme leise genug zu lassen, damit die drei anderen Patientinnen und die Schwester, die im Zimmer Dienst hat, mich nicht hören können.
»Susannah, bitte versuche, ruhig zu bleiben. Ich verspreche dir, dass niemand versucht, dir zu schaden«, antwortet meine Mutter.
»Sie spionieren mich aus. Sie beobachten mich, wenn ich auf die Toilette gehe.«
Sie macht eine Pause, bevor sie antwortet. »Wirklich?«
»Wie kannst du mich das fragen? Glaubst du, ich denke mir das aus?«
»Ich spreche mit ihnen darüber«, antwortet sie, ihre Stimme wird hektischer.
»Meinst du, sie werden dir sagen: ›Ja, wir missbrauchen Ihre Tochter‹? Glaubst du wirklich, sie würden das zugeben?«
»Bist du sicher, dass das wirklich geschieht, Susannah?«
»Ja.«
Ich lege auf, als ich das Schlurfen von Schritten höre. Eine Schwester tritt an mein Bett. »Bitte benutzen Sie das Telefon nicht wegen der EEG-Ausrüstung. Da gibt es Interferenzen. Und es ist spät. Alle schlafen.«
Dann flüstert sie mit sanfter Stimme, spöttisch und ohne die Lippen zu bewegen: »Ich sehe Sie in den Nachrichten.«
»Was sagen Sie?«
»Warum lassen Sie Ihren Vater nicht herein? Er ist ein guter Mann«, sagt die Schwester, ihre Stimme schwebt wie Dampf um mich, bis sie hinter dem Vorhang verschwindet.
Alle wollen mich kriegen. Ich bin hier nicht sicher. Ich schaue zur Videokamera hinauf. Sie beobachten mich. Wenn ich jetzt nicht
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