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Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns

Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns

Titel: Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Calahan
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versuchte zu rekonstruieren, was während meiner verlorenen Wochen passierte, sollten sich diese Aufzeichnungen als sehr wichtig erweisen.
    Nach meinem Krampfanfall in der Patientenaufnahme folgten meine Mutter und mein Stiefvater der fahrbaren Krankenliege, auf dem mich das Ärzteteam auf die Epilepsie-Station brachte. Zwei Schwestern brachten mich anschließend in die AMU. Von ihrer neuen Zimmergenossin abgelenkt, verstummten die drei anderen Patientinnen, als ich dort ankam. Die Krankenschwester erhob meine Anamnese, wobei sie vermerkte, dass ich kooperativ war, lediglich mit leichter Verzögerung reagierte, was sie für eine Folge des Anfalls hielt. Wenn ich eine Frage nicht beantworten konnte, antwortete stattdessen meine Mutter, die sich an ihre mit Unterlagen gefüllte Mappe klammerte.
    Die Krankenschwestern verfrachteten mich in ein Bett, das seitlich vorsorglich mit zwei Schutzgittern versehen war; das Bett selbst war so tief zum Boden abgesenkt wie möglich. Etwa stündlich kamen Krankenschwestern, um meine Werte zu messen: Blutdruck, Puls und die Ergebnisse einer neurologischen Grunduntersuchung. Mein Gewicht war an der unteren Normgrenze, mein Blutdruck an der oberen Normgrenze, mein Puls leicht beschleunigt, unter den Umständen jedoch nicht besorgniserregend. Die Untersuchungsergebnisse, die alles abdeckten – von der Häufigkeit des Stuhlgangs bis zum Bewusstseinsniveau –, waren alle normal.
    Eine EEG-Fachkraft unterbrach die Untersuchungen und zog einen Wagen zu sich her. Er lud ein paar Handvoll bunte Elektroden aus – in Rot, Rosa, Blau und Gelb – wie ich dies vom EEG in der Praxis von Dr. Bailey kannte. Die Kabel führten in eine kleine graue EEG-Box, deren Form und Größe an einen schnurlosen Internetrouter erinnerten. Die Box war mit einem Computer verbunden, der meine Hirnströme aufzeichnen würde. Die Elektroden maßen die elektrische Aktivität entlang der Kopfhaut, verfolgten die Geräusche elektrisch geladener Neuronen und übersetzten ihre Aktionen in Aktivitätswellen.
    Als der EEG-Techniker anfing, die Klebestreifen anzubringen, war es mit meiner Kooperation wieder vorbei. Er brauchte eine halbe Stunde, um die 21 Elektroden zu platzieren, während ich versuchte, mich ihm zu entwinden. »Bitte aufhören!«, bat ich und schlug um mich, als meine Mutter meine Hände streicheln wollte bei dem wirkungslosen Versuch, mich zu beruhigen. Ich handelte sogar noch launischer als in den Tagen zuvor. Es schien alles schnell bergab zu gehen.
    Schließlich ließ mein Trotz nach, aber ich weinte weiter, als der Geruch nach frischem Kleber die Luft erfüllte. Der Mitarbeiter beendete das Anbringen der Drähte und übergab mir, bevor er ging, einen kleinen rosa Rucksack, der aussah, als gehöre er einem Kindergartenkind. Er enthielt meinen kleinen »Internetrouter«, so konnte ich herumlaufen und blieb trotzdem mit dem EEG-System verbunden.
    Es war bereits klar, dass ich keine einfache Patientin sein würde, nach dem, wie ich in den wenigen ersten Stunden in der Abteilung Besucher angeschrien und Krankenschwestern attackiert hatte. Als Allen kam, deutete ich auf ihn, brüllte ihn an und verlangte, die Schwestern sollten »diesen Mann aus meinem Zimmer bringen«. Ebenso beschuldigte ich meinen Vater, als dieser kam, lauthals, er sei ein Entführer, und verlangte, man solle ihn ebenfalls hinauswerfen. Da ich noch mitten in der scheinbaren Psychose steckte, ließen sich viele Tests nicht durchführen.
    Später am Abend kam eine Neurologin, die Bereitschaftsdienst hatte, um eine zweite aktuelle Anamnese aufzunehmen. Sie vermerkte sofort, dass ich »labil« sei, das heißt anfällig für Stimmungsschwankungen und sprunghaft, also dass ich übergangslos von einem Thema zum anderen sprang. Immerhin gelang es mir, meine Melanom-Vorgeschichte zu beschreiben, bevor ich so unlogisch wurde, dass das weitere Gespräch verschoben werden musste.
    »In welchem Jahr wurde die Diagnose gestellt?«, fragte die Neurologin.
    »Er spielt mir einen Streich.«
    »Wer spielt Ihnen einen Streich?«
    »Mein Daddy.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Er verwandelt sich in andere Leute. Er verwandelt sich in verschiedene Leute, um mir einen Streich zu spielen.«
    Die Neurologin schrieb in ihr Konsultationsformular: »unklar, ob halluzinierend«, und verordnete eine kleine Dosis des Antipsychotikums Geodon, das häufig zur Behandlung von Schizophreniesymptomen verwendet wird. Zudem bat sie um eine nähere Untersuchung durch ein

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