Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns
als 20.000 US-Dollar. 1000 Stauschläuche, 1000 Schwestern oder Pfleger, 1000 Venen, 1000 Kekse zur Regulierung des Blutzuckerwertes und das alles, um einem einzigen Patienten zu helfen.
IVIG wird aus Antikörpern im Serum hergestellt, dem Immunglobulin G oder IgG, dem geläufigsten Antikörpertyp im menschlichen Körper. IVIG ist von der U.S. Food and Drug Administration für die Behandlung von Problemen unter anderem in Zusammenhang mit Transplantationen, Leukämie und HIV-infizierten Kindern zugelassen; die zulassungsüberschreitende Anwendung wurde häufig als »experimentell« eingestuft und Versicherungsgesellschaften lehnten die Kostenübernahme solcher Fälle ab.
Antikörper werden vom Immunsystem des Körpers gebildet, um einem unerwünschten Eindringling entgegenzuwirken, beispielsweise wenn ein Krankheitserreger – ein Virus, Bakterium, Pilz oder eine sonstige fremde Substanz – in den Körper eindringt. Dann wird eine Reihe von Reaktionen in Gang gesetzt, die mit dem elementaren Alarmsystem des Körpers beginnt, also mit einer natürlichen Reaktion, einem Standardprozess, der dafür sorgen soll, unerwünschte Gäste schnell wieder loszuwerden. Wenn dieses natürliche System den Krankheitserreger nicht ausrotten kann, folgt als nächste Verteidigungsstufe: die »adaptive Immunantwort«, die sich dem spezifischen Eindringling anpasst und hierfür ein ganzes Arsenal aus weißen Blutkörperchen und Antikörpern nutzt. Deren Mobilisierung dauert mit zehn Tagen viel länger als die natürliche Reaktion, die innerhalb von Minuten oder Stunden anspringt. Der Kollateralschaden dieser inneren Kämpfe verursacht in der Regel grippeähnliche Symptome wie Kopfschmerzen, Fieber, Muskelschmerzen, Übelkeit und vergrößerte Lymphknoten.
Eine Immunzelle, ein sogenannter Phagozyt, »frisst« einen Krankheitserreger
Ein Leukozytentyp, die B-Zellen, können sich zu Plasmazellen differenzieren, die wiederum Antikörper bilden. Unter normalen Bedingungen passt jeder Antikörper zu genau nur einem Krankheitserreger, wie Aschenputtels Schuh, und jeder dieser Antikörper hat das Ziel, die Ausbreitung der Infektion zu blockieren, entweder indem dieser spezielle Krankheitserreger ausgeschaltet oder als zu zerstören markiert wird. Autoantikörper jedoch, die jeder in unschädlicher Menge in sich trägt, können sich in den bösartigsten Typ eines biologischen Schattenboxers verwandeln, wenn sie anfangen, sich an das gesunde Wirtsgewebe zu binden und dieses zu zerstören, wie in meinem Falle das Gehirn. Bei einer IVIG-Infusion werden dem Körper frische, gesunde Antikörper zugeführt, damit sie sich mit den »bösen« schädlichen Autoantikörpern verbinden, die vom Immunsystem des Patienten gebildet werden und dazu beitragen, diese zu neutralisieren und unschädlich zu machen.
Piep, piep, piep. Es ist dunkel. Rechts von mir höre ich das Piepen eines großen Geräts. Ein Kabel verbindet mich mit wogenden Beuteln, die eine weiße Flüssigkeit enthalten. Ich setze Stephens Kopfhörer auf und schließe die Augen. Ich bin weit, weit fort von hier. Ich bin wieder ich selbst.
»Der nächste Song ist für meine Freundin Leah, die heute nicht hier sein kann …«
Das Dröhnen der Gitarre. Das weiche Schlagzeug. Das Anschwellen der Musik. Es ist Halloween-Abend im Harlems Apollo Theater. Ich bin auf einem Ryan-Adams-Konzert. Ich sehe ihn auf der Bühne, wie er die Saiten seiner Gitarre schlägt, aber ich kann die Augen nicht offenhalten und die Szene weiterbeobachten. Ich spüre eine Berührung auf meiner Haut. Sie lässt mich zurückschrecken. Ich höre eine Stimme.
»Susannah, es ist wieder Zeit, die Vitalzeichen zu kontrollieren.«
Das Konzert verschwindet, löst sich im dunklen Krankenzimmer auf, neben mir steht eine Schwester. Ich bin zurück, zurück an dem Ort, wo es weder Tag noch Nacht gibt. Diese Frau ist schuld, dass ich wieder hier bin. Plötzlich erfüllt mich eine blinde, gebündelte Wut. Ich ziehe meinen rechten Arm zurück und boxe sie in die Brust. Sie schnappt nach Luft.
Am nächsten Morgen setzte sich meine Mutter wie üblich neben mein Bett auf einen Stuhl am Fenster, als ihr Handy klingelte. Es war James. Meine Eltern hatten ihn nicht über die Schwere meiner Erkrankung informiert, da sie ihn nicht beunruhigen wollten und er sein Studium nicht unterbrechen sollte. Er und ich hatten trotz der fünf Jahre Altersunterschied immer eine enge Beziehung gehabt und unsere Eltern wussten, dass er alles stehen und
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