Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns
gehabt.
Meine Mama freute sich jeden Tag darauf, den großväterlichen Dr. »Bugsy« zu sehen; seine stets wohlgemute Art und seine freundlichen Worte waren der einzige Lichtblick in diesen dunklen Tagen geworden. Als er an dem Nachmittag, an dem die Untersuchungsergebnisse gekommen waren, nicht auftauchte, sorgte sie sich und wanderte auf der Suche nach ihm durch die Korridore. Sie erspähte seinen weißen Arztkittel, als er ein anderes Zimmer am Ende des Flurs verließ.
»Oh, Herr Dr. Siegel«, sagte sie, ihre Stimme hob sich am Ende seines Namens. Er drehte sich rasch zu ihr um, ohne zu lächeln, offenbar sehr in Eile. »Was gibt es von Susannah? Irgendwelche Neuigkeiten?«
Er schaute sie ohne die vertraute Wärme und den üblichen Optimismus an. »Ich bin nicht mehr mit dem Fall betraut«, sagte er ausdruckslos und wandte sich zum Gehen.
»Wie bitte, was ist los?«, stammelte sie und ihre Unterlippe zitterte. »Was sollen wir denn nun machen?«
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Es ist nicht mehr mein Fall«, antwortete er. Er wandte sich um und ging zügig davon. Sie fühlte sich plötzlich sehr alleine. Es hatte während meiner Krankheit viele Tiefpunkte gegeben, aber diese Zurückweisung war der schlimmste. Dieser Arzt, einer der besten des Landes, hatte mich nun, wie es schien, aufgegeben.
Sie atmete noch einmal tief durch, strich ihren Blazer glatt und ging zurück in mein Zimmer. Sie empfand sich als töricht, weil sie geglaubt hatte, ich sei für ihn mehr als nur irgendeine Patientin gewesen – eine von vielen. Sie schaffte es kaum, Frau Dr. Russo anzusehen, als diese später am Nachmittag kam. Nun war sie unsere einzige Hoffnung – das heißt so lange, bis sich Frau Dr. Russo, nachdem sie die Untersuchung beendet hatte, meiner Mutter zuwandte und sagte: »Dr. Najjar und ich halten eine zweite Lumbalpunktion für erforderlich.«
Die Verschlechterung meines Zustands ließ den Gedanken an eine weitere Lumbalpunktion, die noch vor Kurzem so erschreckend gewesen war, unbedeutend erscheinen. Aber meine Mutter klammerte sich an die Erwähnung eines neuen Arztes. »Wer ist Dr. Najjar?«
»Er befasst sich mit dem Fall Ihrer Tochter. Er ist ein brillanter Arzt«, antwortete Frau Dr. Russo.
Dr. Souhel Najjar war meinem Ärzteteam beigetreten, nachdem Herr Dr. Siegel ihn angerufen hatte. Seine Fähigkeit, rätselhafte Fälle zu lösen, hatte ihm den Ruf eingetragen, er sei der Mann, an den man sich wenden müsse, wenn sonst nichts mehr einen Sinn ergab. Und nun stellte ihm Dr. Bugsy seinen verwirrendsten Fall vor.
»Ich weiß nicht mehr weiter«, gestand Dr. Siegel an Dr. Najjar gewendet. »Ich brauche in diesem Fall Ihre Hilfe.« Er zählte sämtliche Probleme und widersprüchlichen Diagnosen auf. Die Psychiater vermuteten, mein Verhalten sei durch eine Geisteskrankheit bedingt, die erhöhten Werte bei den weißen Blutkörperchen deuteten auf eine Infektion hin, alle anderen Untersuchungsergebnisse waren negativ. Dr. Najjars erste Vermutung war, ich würde an einer viralen Enzephalitis leiden, einer wahrscheinlich durch das Herpesvirus ausgelösten Entzündung. Er stimmte der Theorie von der schizoaffektiven Störung nicht zu und regte stattdessen an, sie sollten mir das Virostatikum Aciclovir als In-vitro-Infusion verabreichen.
Dann kamen jedoch die Testergebnisse der Untersuchungen auf Viren zurück: negativ. Ich hatte weder HIV noch das Herpes-simplex-Virus 1 oder 2, und auch das Untersuchungsergebnis auf eine durch Herpes verursachte Enzephalitis war negativ, daher stoppte er die antiviralen Infusionen. Als weitere Möglichkeit vermutete Dr. Najjar eine Art Autoimmunreaktion, die er mit einer experimentellen Immuntherapie behandeln könnte, die er bei einem anderen Patienten mit einer Entzündung des Gehirns erfolgreich ausprobiert hatte. Die Behandlung umfasste Steroide, intravenöse Immunoglobuline (IVIG) und einen Plasmaaustausch.
»Ich denke, wir sollten sofort mit der IVIG-Behandlung beginnen«, sagte Dr. Najjar, nachdem er meinen negativen Virusnachweis gesehen hatte.
Kapitel 24
IVIG
A m 2. April begannen die Schwestern mit der ersten von fünf intravenösen Immunoglobulin-(IVIG)-Infusionen. Die durchsichtigen Beutel zur intravenösen Infusion hingen an einem Infusionsständer aus Metall über meinem Kopf, ihre Flüssigkeit tropfte in meine Vene. Jeder dieser ganz gewöhnlich aussehenden Beutel enthielt die gesunden Antikörper von über 1000 Blutspendern und kostete pro Infusion mehr
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