Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns
eine Entzündung ist«, sagte er.
»Wie?«, fragte meine Mutter.
»An der Universität von Pennsylvania gibt es einen Arzt, der auf Autoimmunerkrankungen spezialisiert ist, und ich denke, er wird die Antwort wissen, die wir suchen. Inzwischen«, er machte eine Pause, da er wusste, dass meine Eltern nicht gerne hören würden, was er zu sagen hatte, »gibt es mehrere Wege, die wir gehen können. Es gibt die Steroide. Es gibt die Plasmapherese. Es gibt IVIG.«
Meine Eltern nickten wieder einmütig, sie waren von diesem kraftvollen Mann völlig eingenommen.
»Das Beste wäre meiner Meinung nach jedoch«, sagte er und senkte die Stimme, »eine Hirnbiopsie vorzunehmen.«
»Was bedeutet das?«, fragte meine Mutter leise.
»Wir müssen uns ihr Gehirn anschauen und ein kleines« – er hob zwei Finger und zeigte damit einen Abstand von einem Zentimeter an – »Stück des Gehirns entnehmen.«
Mein Vater sträubte sich. »Also ich weiß nicht.«
»Ich versichere Ihnen, wenn es mein Kind wäre, würde ich eine Hirnbiopsie vornehmen lassen. Die Risiken, es nicht zu tun, wiegen die Risiken der Biopsie bei Weitem auf. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass wir danach genauso schlau sind wie jetzt.«
Meine Eltern sagten beide nichts.
»Ich möchte das am Montag, spätestens am Dienstag machen«, sagte er. »Aber es ist Ihre Entscheidung. Inzwischen werde ich mit dem Team und dem Chirurgen darüber sprechen. Lassen Sie mich darüber nachdenken. Ich werde Sie informieren.«
Als Dr. Najjar gegangen war, flüsterte meine Mutter: »Er ist ein echter Dr. House. 7 «
Später an diesem Nachmittag kam Frau Dr. Russo, um meinen Eltern zu bestätigen, das Team habe beschlossen, mit einer Hirnbiopsie weiterzumachen. Meine Mutter versuchte, ruhig zu bleiben, aber sie fühlte sich hilflos. Sie bedeutete Frau Dr. Russo, draußen auf dem Korridor weiterzusprechen. Sie hatte so viele Fragen, aber alles, was sie begreifen konnte, war dieses einfache, schaurige Wort: Hirnbiopsie. Nachdem sie nach außen hin wochenlang die Haltung bewahrt hatte, war nun die Grenze ihrer Belastbarkeit erreicht und sie begann zu schluchzen. Frau Dr. Russo stand mit vor der Brust verschränkten Armen da, dann streckte sie einen Arm aus und berührte ganz vorsichtig den Arm meiner Mutter.
»Es wird alles gut«, sagte Frau Dr. Russo.
Meine Mutter wischte ihre Tränen ab und atmete tief ein. »Ich gehe besser wieder hinein.«
Als sie zurückkam, warf mein Daddy ihr einen vorwurfsvollen Blick zu. »Wir haben dich gehört«, sagte er.
Trotz seiner Schroffheit quälten ihn, wie er später in sein Tagebuch schrieb, dieselben Sorgen wie meine Mutter: »Alleine schon der Begriff ›Hirnbiopsie‹ erschreckte mich. Ich konnte die Stimme meiner Mutter hören, die mir sagte, ich solle es nicht tun. Ich konnte sie sagen hören, niemals jemandem am Gehirn herumpfuschen zu lassen. Als ausgebildete Krankenschwester hatte sie viele schlimme Dinge gesehen und traute Hirnchirurgen nicht. Ich musste mir selbst sagen, wie lange das alles her war.«
Erschöpft von den vormittäglichen Ereignissen, der Uhr-Zeichnung und den Neuigkeiten der Hirnbiopsie, ging mein Vater vom NYU quer durch die Stadt zur 33th Street, weil er auf der Park Avenue South in die U-Bahn stieg. Als er zwischen der Ersten und Zweiten Avenue entlangging, fiel ihm die Kapelle der Herzen Jesu und Mariä [Chapel of the Sacred Hearts of Jesus and Mary] auf. Spontan betrat er die Kapelle und bewunderte die Buntglasfenster und das lebhafte Gemälde eines Engels, der einen gebrochenen Mann umarmt. Er kniete nieder und betete.
Am selben Nachmittag tat meine Mutter im Stadtzentrum, im Büro des Staatsanwaltes des Bezirks Manhattan, etwas Ähnliches. Sie hielt sich mit ihrer Sekretärin Elsie und ihrer Kollegin Regina, die auch Baptistenpfarrerin war, bei den Händen. Alle drei schlossen ihre Augen und standen in einem Kreis, während sich Reginas Stimme über sie erhob: »Gott, heile diese junge Frau. Gott, höre uns, höre unser Gebet. Wir beten zu Dir, damit Du dieses Mädchen heilst und es ihr wieder besser geht. Wir bitten Dich, erhöre unser Gebet.« Meine Mutter, ein nüchternes, ungläubiges jüdisches Mädchen aus den Bronx, schwur, sie hätte in diesem Moment die Anwesenheit Gottes gespürt.
Mir waren die Ängste meiner Eltern zum Glück nicht bewusst. Meiner Kollegin und Freundin Lindsey, die in St. Louis lebte, schrieb ich eine SMS: »Ich werde eine Hirnnopsie bekommen!«
»Wie? Was meinst
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