Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns
ungelesenen E-Mails zu öffnen, die sich in den sieben Monaten angehäuft hatten. Ich hasste den Gedanken daran, was die Absender meiner Informationsquellen wohl gedacht haben mochten, als ihre E-Mails zurückkamen oder nie beantwortet wurden. Dachten sie, ich habe mich beruflich anders orientiert oder die Stelle gewechselt? Machten sie sich Sorgen? Diese Fragen quälten mich, während ich mich mühsam durch Pressemitteilungen und Bücherstapel kämpfte.
Ich war davon überzeugt, wieder den Normalzustand erreicht zu haben. Das erzählte ich auch Herrn Dr. Arslan, als ich bei ihm direkt vor meiner ersten Arbeitswoche einen Termin hatte. Ich war zu diesem Zeitpunkt auf eine so niedrige Medikamentendosis eingestellt, dass dies beinahe zu vernachlässigen war. Wie alle 14Tage setzten meine Eltern und ich uns an seinen Schreibtisch.
»Ich möchte Ihnen wieder die übliche Frage stellen. Wie fühlen Sie sich, bewertet auf einer Skala zwischen 0 und 100?«
Ich zögerte keine Sekunde. »100!«, antwortete ich im Brustton der Überzeugung. Meine Mama und mein Daddy nickten dieses Mal. Endlich stimmte meine Mama meiner eigenen Einschätzung zu.
»Gut, dann muss ich Ihnen sagen, dass Sie nicht mehr interessant für mich sind«, sagte Herr Dr. Arslan lächelnd, und mit dieser kurzen Aussage entließ er mich aus seiner Behandlung. Er empfahl mir, die angstlösenden und die antipsychotischen Medikamente noch eine weitere Woche einzunehmen und dann abzusetzen. Er erklärte, ich brauche sie dann nicht mehr. Ich verstand das so, dass ich nach seiner allgemeinen Bewertung wieder vollkommen gesund war. Meine Mama und mein Dad umarmten mich und wir feierten in aller Stille in einem kleinen nahe gelegenen Lokal bei Rührei und Kaffee.
Obgleich wir über Herrn Dr. Arslans Beurteilung in Hochstimmung waren, hatte ich tatsächlich noch einen weiten Weg vor mir, bis ich wieder die Person sein würde, die ich gewesen war. Inzwischen ist klar, dass ich mich noch mitten in einer sehr ungenau definierten Genesungsphase befand, die Herr Dr. Dalmau und andere genau untersuchten.
»Die Patienten sind im Wesentlichen nach Einschätzung der Familie, nach Einschätzung der Freunde und nach Einschätzung der Ärzte wieder im Normalzustand angekommen, aber nach ihrer eigenen Einschätzung sind sie noch nicht wieder in ihrem Normalzustand«, erklärte mir Herr Dr. Dalmau bei einem unserer ersten Telefonate. »Und das hält ziemlich lange an. Die Genesungsphase dauert zwei oder drei Jahre, manchmal sogar noch länger.«
Die Patienten mögen zwar wieder ihre Arbeit aufnehmen können, in Gesellschaft funktionieren oder sogar alleine leben, aber sie spüren, dass es ihnen schwerer fällt, Dinge zu tun, die früher ganz selbstverständlich waren, sodass sie noch weit davon entfernt sind, die Person zu sein, die sie vor der Krankheit waren.
Gleich in der Zeit, als ich meine Arbeit wiederaufgenommen hatte, gab Dr. Najjar mir grünes Licht dafür, mir Strähnchen ins Haar machen zu lassen, weil die Narbe, die mein Haar noch nicht wieder wie angekündigt wachsen ließ, endlich gut genug verheilt war, um die aggressive chemische Behandlung auszuhalten. Ich ging in den Arrojo-Salon in SoHo in der Nähe des Holland Tunnels, wo eine Friseurin mir auffällige blonde Strähnchen machte und eine andere einen feinen Pony bis zu den Augen schnitt, der nach rechts fiel und so den kahlen Fleck überdeckte. Sie fragte mich, woher ich die Narbe hätte, und ich erzählte ihr ein bisschen von meiner Geschichte. Sie war davon so berührt, dass sie eine weitere Stunde damit zubrachte, um mein widerspenstiges Haar, dessen Struktur sich durch die Medikamente verändert hatte, auf Lockenwickler zu drehen.
Ich fühlte mich pudelwohl, als ich auf meinem Rückweg nach Summit gemütlich die Treppe zur U-Bahn hinunterging, da hörte ich eine vertraute Stimme meinen Namen rufen. Ich schaute herum in der Hoffnung, mich verhört zu haben, und sah ein paar Stufen unter mir meinen Exfreund, den ich lange vor meiner Krankheit zuletzt gesprochen hatte.
»Ich habe gehört, was passiert ist«, sagte er verlegen. »Tut mir leid, dass ich nicht angerufen habe, aber ich dachte, du würdest lieber nichts von mir hören.«
Ich wischte diesen Kommentar mit einer Handbewegung weg, wir tauschten ein paar Höflichkeiten aus und verabschiedeten uns. Es hätte der perfekte Augenblick sein können, frisch gestylt vom Friseur kommend, einem Exfreund zu begegnen. Aber es fühlte sich auf ungute
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