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Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns

Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns

Titel: Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Calahan
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und obgleich es sich um eine Fiktion handelt, beschreibt sie viele der Verhaltensweisen, die Kinder zeigen, die an Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis leiden. Das Bild ist nicht so übertrieben, wie man denken mag. (Stephen zumindest kann sich Der Exorzist nicht mehr anschauen; er erinnert ihn an diese seltsamen Panikattacken, die ich im Krankenhaus hatte, und an meinen ersten Krampfanfall, als wir auf der Ausziehcouch fernsahen.) 2009 zeigte ein 13-jähriges Mädchen aus Tennessee eine »Reihe von Gefühlen und Symptomen, die sich stündlich veränderten, teilweise wie Schizophrenie wirkten und teilweise wie Autismus oder Zerebralparese«. Sie schlug heftig um sich und biss sich in Zunge und Lippen. Einmal bestand sie darauf, auf allen vieren über den Krankenhausgang zu krabbeln. Sie sprach mit einem seltsamen cajunartigen Akzent, wie die Chattanooga Times Free Press vermeldete, die über ihre Erfahrung mit Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis und über ihre anschließende Genesung berichtete.
    Viele Eltern beschreiben, dass ihre Kinder anfangen, in einer entstellten fremden Sprache oder mit einem ungewöhnlichen Akzent zu sprechen, wie in dem Film Der Exorzist die fiktionale Regan fließend mit dem Priester Latein zu sprechen beginnt, der gekommen ist, um ihr den Teufel auszutreiben. Ebenso zeigen Kinder, die an diesem Typ der Enzephalitis leiden, eine Echolalie, das Nachahmen von Wörtern, die eine andere Person ausspricht. Das würde die plötzliche Fähigkeit erklären, »in fremden Zungen zu reden«, wobei im wirklichen Leben jene, die an dieser Erkrankung leiden, typischerweise unlogische Wortfolgen und generell stockend sprechen.
    Wie vielen Kindern wurde im Lauf der Geschichte der »Teufel ausgetrieben« und wie viele ließ man sterben, wenn sich ihr Zustand nicht besserte? Wie viele Menschen befinden sich gegenwärtig in psychiatrischen Abteilungen und Pflegeheimen, weil ihnen die relativ einfache Behandlung mit Steroiden, Plasmaaustausch, IVIG-Infusionen und, im schlimmsten Fall, intensiver Immuntherapie oder Chemotherapie versagt bleibt? Dr. Najjar schätzte, dass 2009, als ich wegen dieser Krankheit behandelt wurde, 90 Prozent der Menschen, die ebenfalls daran litten, undiagnostiziert blieben. Auch wenn diese Zahl möglicherweise in dem Maße abnimmt, wie die Krankheit besser bekannt wird, gibt es immer noch Menschen, die an etwas leiden, was behandelbar ist, die jedoch nicht die richtige Therapie erhalten. Ich werde nie vergessen, wie nah ich dieser gefährlichen Grenze kam.
    Als ich im Rahmen meiner Nachforschungen mit Frau Dr. Rita Balice-Gordon, einer Kollegin von Herrn Dr. Dalmau, Kontakt aufnahm, erwähnte diese die alte indische Weisheit, die oft von Neurowissenschaftlern zitiert wird, wonach sechs blinde Männer, die versuchen, einen Elefanten zu erkennen, zu sechs verschiedenen Ergebnissen kommen. Damit wird verdeutlicht, wie viel mehr wir noch über diese Krankheit lernen müssen.
    Jeder der sechs Männer betastet einen anderen Teil des Tieres und versucht, das namenlose Objekt zu erkennen. Ein Mann betastet den Schwanz und sagt: »Seil«, ein anderer berührt den Fuß und sagt: »Säule«, ein dritter berührt den Rumpf und sagt: »Baum«, einer betastet das Ohr und sagt: »Fächer«, einer berührt den Bauch und sagt: »Wand«, der Letzte berührt den Stoßzahn und ist sicher, dass es eine »Pfeife« ist. Die Geschichte wurde so oft erzählt, dass sie in unterschiedlichen Versionen existiert. In einer buddhistischen Fassung dieser Geschichte wird den Männern gesagt, dass sie alle recht haben, und sie freuen sich; in einer anderen Version kommt es zu Gewalt zwischen den Männern, weil sie sich nicht einigen können.
    Frau Dr. Balice-Gordon hat eine hoffnungsvolle Interpretation der Analogie: »Wir nähern uns in gewisser Weise dem Elefanten von vorne und von hinten in der Hoffnung, ihn in der Mitte zu berühren. Wir hoffen, ein ausreichend detailliertes Bild des Elefanten zu malen.«
    Zwei besondere Studienfelder, Schizophrenie und Autismus, werden wahrscheinlich am meisten von dieser Beschreibung des Elefanten profitieren. Frau Dr. Balice-Gordon glaubt, dass ein wenn auch kleiner Prozentsatz der Patienten, bei denen Autismus und Schizophrenie diagnostiziert wurde, tatsächlich an einer Autoimmunerkrankung leidet. Viele Kinder, bei denen letztlich eine Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis diagnostiziert wurde, hatte man zuerst als autistisch eingestuft. Wie vielen Kindern, bei denen ursprünglich Autismus

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