Feuer in eisblauen Augen
ganze Zeit das Gefühl, dass ich Sie schon einmal gesehen habe.” Er blickte ihr aufmerksam ins Gesicht, vermutlich wollte er herausfinden, wie sie ohne Schminke und Kostüm aussehen würde. Annie bekam weiche Knie, als der Mann sie so genau betrachtete. Ihre Reaktion war seltsam, denn die sogenannten Alphatypen waren gar nicht ihr Fall. Nur in alten Filmen, da liebte sie diesen Typ Mann, der alles im Griff hat und jede Situation beherrscht. Die Männer, mit denen sie bisher zu tun gehabt hatte, waren eher feinsinnig und poetisch gewesen, hatten ihr das Blaue vom Himmel versprochen und nichts davon gehalten.
Mark war ganz anders, das ahnte sie. Wenn er etwas versprach, dann würde er alles daransetzen, es auch zu halten. Annie fühlte sich in der Falle. War es denkbar, dass sie ihn attraktiv fand? Unmöglich, wahrscheinlich habe ich vorhin zu viel Sodawasser getrunken, dachte sie.
Annie widerstand ihrem starken Impuls, die Flucht zu ergreifen, um vor seiner Ausstrahlung sicher zu sein. Aber sie musste ihm erst die Wahrheit sagen. “Wir kennen uns nicht wirklich, wir sind nur einmal zusammengestoßen, und zwar auf Granville Island.
“Granville Island …” Er überlegte kurz, und Annie sah, dass er es jetzt ahnte. Entsetzt blickte er Annie an. “Sind Sie etwa die Frau mit der Postkarte?”
“Klar doch.”
Er stöhnte laut auf.
Annie wollte jetzt sofort gehen. Vielleicht kam er noch auf die Idee, den Scheck mit der hohen Summe zurückzufordern. Vorsichtshalber presste sie die Hand auf die Tasche, als sie sich verabschiedete. “Ich danke Ihnen für alles, es hat mir hier sehr viel Spaß gemacht.” Sie drehte sich um und wollte die Tür öffnen.
Mark war völlig entgeistert.
“Die Tür geht nicht auf”, unterbrach Annie das Schweigen.
Er schüttelte den Kopf, dann tippte er einen Code in einen kleinen in der Wand eingelassenen Kasten ein. Jetzt ging die Tür mühelos auf.
“Werden Sie mir morgen Bescheid geben?”, fragte Mark.
“Wieso?”
“Ob Sie den Job hier annehmen?”
“Möchten Sie mich denn immer noch?”
Einen Moment schwieg Mark. Es sah aus, als zweifelte er an seinem Verstand. Dann zuckte er mit den Schultern. “Ich bin verzweifelt.”
Annie biss sich auf die Unterlippe, um nicht laut zu lachen. Die Situation war zu kurios. Annie überlegte. Wollte sie auf Bobbie warten, oder lieber schon fliegen?
Aus zwei Gründen war das Angebot reizvoll. Erstens konnte sie gut ein wenig mehr Geld brauchen, und zweitens hatte sie ihr Apartment ab kommender Woche untervermietet. Wenn sie den Job annahm, könnte sie auf Bobbie warten und auch noch die Auftritte absolvieren, die sie noch nicht abgesagt hatte.
Annie lehnte sich an die Haustür. Hatte der Mann denn sonst niemanden, der ihm helfen konnte? Das musste sie wissen. “Es geht mich ja nichts an, aber könnte Emilys Mutter nicht aushelfen?”
Als Annie sah, wie traurig Mark wurde, ärgerte sie sich über ihre Frage. “Ihre Mutter ist tot.”
“Oh, das tut mir sehr leid.” Kein Wunder, dass er das kleine Mädchen immer wieder so bekümmert angesehen hatte. “Sie müssen sie sehr geliebt haben.”
“Ja, Emily ist alles, was mir von Christy geblieben ist. Sie und ihr Mann sind vor einem Jahr gestorben. Christy war meine jüngere Schwester, nicht meine Frau. Sie und ihr Mann arbeiteten als Archäologen in Afrika und bekamen beide ein tödliches Fieber.”
“Dann ist Emily Ihre …”
“Ja, sie ist meine Nichte. Das Vermächtnis meiner geliebten Schwester, deshalb bin ich wahrscheinlich auch übervorsichtig.”
Jetzt stand Annies Entschluss fest. Sie würde Mark helfen. Wenn dieser Mann auch keinen Purzelbaum schlagen konnte, so hatte er doch eine große Verpflichtung übernommen. Er hätte das auch ablehnen können. “Ich brauche aber freie Wochenenden und Abende, um die bereits versprochenen Auftritte zu absolvieren.”
“Das ist kein Problem.”
“Was wären meine Aufgaben?”
“Morgens müssen Sie Emily für die Schule fertig machen und sie hinfahren. Später wieder abholen. Nachmittags hat Emily Musik- und Tanzstunde, das Abendessen muss zubereitet und das Haus muss in Ordnung gehalten werden. In einigen Wochen beginnen die Ferien. Wenn Bea dann immer noch krank sein sollte, hätten Sie den ganzen Tag zu tun, fürchte ich.”
Annie sah einige Schwierigkeiten auf sich zukommen. Putzen und Kochen waren nicht gerade ihre Lieblingsbeschäftigungen. Außerdem stand sie für gewöhnlich ziemlich spät morgens auf. “Um
Weitere Kostenlose Bücher