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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nicht den Chip entfernen lassen, der den Motor normalerweise bei Erreichen der 250-Kilometer-Marke drosselte. Will hatte keine Ahnung, durch wie viele Radarfallen er auf dem Weg Richtung holländische Grenze und dann zurück gerast war, aber es war ihm auch ziemlich egal – sollte sich mit den Strafzetteln auseinander setzen, wer wollte.
    Kurz nach Mittag verließ er in Höhe des Nürburgrings die Autobahn und nahm die letzten zwanzig oder dreißig Kilometer Landstraße in Angriff. Er konnte nirgends ein Hinweisschild entdecken, dem er nach Dohr hätte folgen können. Das Navigationssystem in Georgs Jaguar erwies sich auch diesmal als nützlich, er kam vielleicht nicht auf dem kürzesten Weg ans Ziel, aber er kam ans Ziel; vielleicht zwanzig Minuten, nachdem er losgefahren war, bog er in eine schmale Seitenstraße ein und passierte das Ortsschild.
    Der Ort war nicht nur winzig, sondern auch so gut wie ausgestorben. Will lenkte den Wagen zweimal über die Hauptstraße, die zugleich die einzige Straße war, ohne auch nur eine einzige Menschenseele zu Gesicht zu bekommen, und hielt schließlich frustriert an. Ganz egal, ob er nun jemanden sah oder nicht, ihm war natürlich klar, dass er Aufsehen erregte. Der Jaguar kostete mehr als die meisten Häuser, an denen er vorbeigekommen war, und ein solches Fahrzeug fiel natürlich auf. Die Leute würden sich daran erinnern, auch nach ein paar Tagen noch, und vor allem, wenn er im Schritttempo mehrmals die Straße auf und ab fuhr. Und wenn er sich eines im Moment nicht leisten konnte, dann war es, aufzufallen. Schließlich saß er in einem gestohlenen Wagen; auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass Georg Anzeige erstattet hatte, nicht besonders hoch war.
    Was also sollte er tun? Seine erste Idee war gewesen, einfach im Telefonbuch nachzuschlagen, was allerdings daran scheiterte, dass es in Dohr keine Telefonzelle gab; und somit auch kein öffentlich zugängliches Telefonbuch. Dasselbe galt für die Post – es gab keine –, und das einzige Gasthaus, an dem er vorbeigekommen war, schloss sich selbst durch das aus, was es war: eine zumindest von außen winzige Dorfkneipe, in der es vermutlich düster und stickig war; uralte zerschrammte Bauernmöbel und bis zur halben Höhe holzvertäfelte Wände, an denen Zinnteller mit Fasanen hingen, und vielleicht der eine oder andere ausgestopfte Vogel unter der Decke. Wahrscheinlich war das teuerste Gericht auf der Speisekarte eine Frikadelle mit Kartoffelsalat, und einem Fremden würde man schon aus Prinzip keine Auskunft geben.
    Vielleicht war er ja sowieso umsonst gekommen.
    Bisher hatte Will seine Gedanken mit mehr oder weniger Erfolg damit beschäftigt, sich einfach auf das zu konzentrieren, was er gerade tat; angefangen damit, einen vermutlich gar nicht vorhandenen Verfolger abzuschütteln. Aber jetzt war er hier – und was nun?
    Die bittere Wahrheit war: Er wusste es nicht.
    Dohr war auch in anderer Hinsicht eine Enttäuschung. Natürlich war der Ort nicht ganz so schäbig, wie es ihm in seiner ersten Frustration vorgekommen war; Will war nicht in der Verfassung, fair sein zu wollen, nicht gegen irgendeinen Menschen und schon gar nicht gegen dieses Kaff. Aber auch, wenn er sich um Objektivität bemühte: Dies hier war keine Umgebung, in die sich Leute wie die Schmidts ins Wochenende zurückziehen würden. Jemand, der ein Haus wie die niedergebrannte Jugendstil-Villa bewohnte, verbrachte seine Freizeit bestimmt nicht in einer achtzig Jahre alten Bruchbude, in der man sich den Kopf stieß, wenn man den Fehler beging, sich aufzurichten, und eine behördliche Genehmigung brauchte, wenn man die vergammelten Holzfenster auswechseln wollte. Dies hier war einfach nicht die richtige Umgebung.
    Vielleicht hatte sich der Bengel einfach einen Spaß daraus gemacht, ihn in die Irre zu schicken. Wenn er diese Geschichte irgendwie mit heiler Haut überstand, würde er in ein Land auswandern, in dem Kinder gesetzlich verboten waren!
    Aber da war das Feuer, und der auffällige Haarschopf. Ein paar Zufälle zu viel für seinen Geschmack.
    Er startete den Wagen wieder, wendete auf der schmalen Straße und fuhr die Strecke noch einmal im Schritttempo ab. Diesmal galt seine Konzentration den Garagen, aber das Ergebnis war ebenso niederschmetternd wie zuvor. Nur eine einzige erschien ihm überhaupt groß genug, um einem Fahrzeug Platz zu bieten, das deutlich größer war als ein Smart, aber das dazugehörige Haus sah nicht so aus, als würde es den

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