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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schließlich verging auch diese Zeit, und wie alles hatte selbst diese weitere Verzögerung noch eine positive Seite: Als er endlich sicher war, wirklich allein zu sein, war es vollkommen dunkel geworden. Als er sich endlich wirklich auf den Weg machte, war das Licht so schlecht, dass er beinahe Mühe hatte, den schmalen Feldweg wiederzufinden. Der Zaun und die dahinter liegende Mauer aus dicht stehenden Bäumen und Gebüsch hatten sich vollends in eine undurchdringliche Mauer verwandelt, die sich in noch tieferem Schwarz vor dem Hintergrund der Nacht abhob.
    Will bedauerte es jetzt, sich das Grundstück bei Tag nicht doch ein wenig gründlicher angesehen zu haben. In der Dunkelheit wirkte der Zaun tatsächlich wie eine kompakte Mauer, eine schwarze Fläche ohne Details und Tiefe, hinter der die Nacht einfach aufzuhören schien, um etwas weit Dunklerem und Endgültigerem Platz zu machen. Dieser Zaun konnte alles Mögliche sein –ein ganz normaler Eisenzaun mit ein paar Büschen dahinter, oder ein High-Tech-Bollwerk, das mit Berührungsmelder, Lasersperren und Videokameras nur so gespickt war. Vermutlich lag die Wahrheit irgendwo dazwischen, wie meistens, aber das machte ihn auch nicht viel glücklicher.
    Letzten Endes spielte es keine Rolle, ob er in das ausgeklügeltste Sicherheitssystem der Welt lief oder von einem gelangweilten Nachtwächter im Rentenalter auf dem grobkörnigen Schwarz-Weiß-Monitor einer zehn Jahre alten Videokamera entdeckt wurde. Erwischt war erwischt.
    Trotz dieser Überlegungen – oder gerade deswegen – verplemperte er noch einmal gute fünf Minuten damit, einfach dazustehen und die schwarze Wand vor sich anzustarren. Schließlich aber griff er – alles andere als entschlossen – nach oben und tastete im Dunkeln nach den Querstreben des geschmiedeten Zaunes. Ein kurzes Rütteln überzeugte ihn davon, dass die Konstruktion stabil genug war, um sein Gewicht zu tragen; außerdem heulte zumindest bei dieser ersten Berührung noch kein ganzes Dutzend Alarmsirenen auf. Halbwegs zufrieden mit diesem allerersten Ergebnis verstärke Will seinen Griff, tastete auch mit dem Fuß irgendwo nach Halt und kletterte nicht besonders geschickt, aber dennoch ziemlich schnell, an dem Zaun empor.
    Oben angelangt wurde er deutlich langsamer. Die Dunkelheit, die ihn bisher so zuverlässig geschützt hatte, erwies sich nun als Nachteil. Der Zaun wurde von geschmiedeten Lanzenspitzen gekrönt, die zwar nicht eigens geschärft, dennoch aber gefährlich genug waren, um sich übel daran zu verletzen, wenn er nicht Acht gab, und alles, was auf der anderen Seite lag, war einfach verschwunden. Will hatte keine Angst vor dem Sprung aus zwei Metern Höhe, aber er sah einfach nicht, was unter ihm lag – es konnte ebenso gut weicher Mutterboden sein wie ein Gewirr aus spitzen Steinen und Felsbrocken, die nur darauf warteten, dass er mitten in sie hineinsprang und sich die Beine brach. Ihm blieb nichts anderes übrig, als ebenso umständlich auf der anderen Seite wieder herunterzuklettern, was sich allerdings als sehr viel schwieriger erwies.
    Das Heulen einer Alarmsirene blieb ebenso aus wie das Bellen von Hunden oder der plötzliche Schein eines Tiefstrahlers, der den Garten in gleißendes Licht tauchte. Wenn das Haus eine Alarmanlage hatte, überwachte sie entweder den Zaun nicht, oder es war ein stiller Alarm. Das eine wäre fast zu schön, um wahr zu sein, und das andere würde er über kurz oder lang merken.
    Will war nicht mehr bereit, jetzt noch umzukehren. Er hätte es nicht einmal mehr getan, wenn er in diesem Moment das Heulen einer näher kommenden Sirene gehört hätte. Mit dem Überklettern des Zaunes hatte er gleichermaßen auch eine innere und viel wichtigere Barriere überschritten, die nicht nur der Grund für sein vorheriges Zögern war, sondern jenseits deren es auch kein Zurück mehr gab. Die Zeit, in der en noch umkehren konnte, war vorbei.
    Trotzdem blieb er weitere endlose Minuten reglos im Schatten der Büsche hocken. Er redete sich ein, die Zeit zu nutzen, um sich einen Überblick über den weitläufigen Garten zu verschaffen, aber in Wahrheit stimmte das nicht; er lauschte auf das rasende Hämmern seines Herzens und wartete darauf, dass seine Hände und Knie zu zittern aufhörten, das war alles. Viel zu sehen gab es ohnehin nicht. Der Garten war sehr groß, und das dichte Buschwerk bildete tatsächlich nur einen Schutzwall gegen neugierige Blicke, aber die Dunkelheit war mittlerweile auch fast

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