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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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seine unwiderruflich letzte Chance dar, mit halbwegs heiler Haut aus dieser Geschichte herauszukommen. Seine Bewährung konnte er vergessen, aber das war im Moment wohl seine geringste Sorge. Und abgesehen davon, dass er mit einem (nicht von ihm) gestohlenen Wagen einmal quer durch die Stadt gefahren und jetzt in dieses leer stehende Gebäude eingebrochen war, hatte er sich im Grunde nichts zuschulden kommen lassen. Wenn er die Polizei rief und sie das hier sahen, dann würden sie sich diese ganze Ruine vielleicht noch einmal gründlicher ansehen, und dann würden die herausfinden, dass er weder mit dem Verschwinden des Mädchens noch mit dem Tod der beiden Polizisten und allem anderen etwas zu tun hatte, und …
    Die Vorstellung war so naiv, dass er selbst den Kopf darüber schütteln musste. FALLS die Bullen sich überhaupt die Mühe machten, mehr als einen flüchtigen Blick hier hereinzuwerfen, dann hatten die Betreiber dieses Etablissements mit Sicherheit ein paar geschniegelte Erklärungen für alles bereit, und er würde sich schneller im Knast wiederfinden, als er seinen Namen buchstabieren konnte. Und vielleicht war ja auch alles ganz anders.
    Will drehte eine weitere Runde durch das sonderbare Haus, ohne jedoch noch irgendetwas zu entdecken, was ihm weitergeholfen hätte. Schließlich verließ er das Haus auf dem gleichen Wege wieder, auf dem er hereingekommen war.
    Er versuchte, die Spuren seines unsanften Eindringens zu beseitigen, so gut es ging, war sich aber darüber im Klaren, dass das Fenster allerhöchstens einem sehr flüchtigen Blick standhalten würde. Er musste eben darauf bauen, dass niemand ein zweites Mal hinsah. Wenn das geschah, war er ohnehin geliefert. Er hatte dort drinnen mehr Fingerabdrücke hinterlassen als eine hungrige Katze, die einem ganzen Dutzend Mäuse nachgejagt war. Er musste einfach darauf bauen, dass niemand hierher kam und sich das Fenster genauer ansah.
    Zuerst einmal musste er von hier verschwinden, ehe sein Vorrat an Glück endgültig aufgebraucht war und ihn noch jemand sah. Im hohen Bogen schleuderte er sein improvisiertes Einbruchswerkzeug in die Ruine zurück, drehte sich um – und erstarrte mitten in der Bewegung.
    Sein Vorrat an Glück war erschöpft.
    Hinter ihm stand ein vielleicht elf- oder zwölfjähriger Junge, der ihn mit einer Mischung aus kindlicher Neugier und Misstrauen ansah, wobei das Misstrauen aber eindeutig überwog. Er trug Jeans, Polohemd und Turnschuhe, und er strahlte jene Art von arrogantem Selbstbewusstsein aus, die den Kindern reicher Eltern eigen ist, die in dem sicheren Bewusstsein aufwachsen, zu der privilegierteren mindestens zweier Schichten zu gehören. Irgendwie schienen Kinder in dieser Geschichte allmählich zu seiner persönlichen Nemesis zu werden.
    »Oh, hallo«, sagte Will. »Ich habe dich gar nicht kommen hören.«
    »Das konnten Sie ja auch gar nicht«, antwortete der Junge und machte eine Kopfbewegung auf das Fenster, durch das er gerade herausgekommen war. »Sie waren ja da drin.«
    »Tja«, sagte Will mit einem schiefen Grinsen. »Sieht so aus, als hättest du mich erwischt.« Seine Gedanken überschlugen sich. Was sollte er tun? Natürlich konnte er den Knirps einfach ignorieren und gehen – aber dann konnte er auch ziemlich sicher sein, dass die kleine Kröte stante pede zu ihren Eltern rannte, und dann würde ganz bestimmt jemand hierher kommen und sich dieses Fenster ein wenig genauer ansehen.
    »Was tun Sie hier?«, fragte der Junge. Das misstrauische Glitzern in seinen Augen wurde stärker.
    Fast nur, um Zeit zu gewinnen, antwortete Will: »Mein Name ist Will«, und hätte sich im selben Sekundenbruchteil am liebsten selbst geohrfeigt »Und deiner?«
    »Marius«, antwortete der Knirps. »Aber Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Was machen Sie hier? Das ist Privatbesitz.« »Du bist doch auch hier«, gab Will zurück.
    »Das ist was anderes«, behauptete Marius. »Ich darf das. Ich wohne nebenan. Die Schmidts haben nichts dagegen, dass ich hier spiele.« Er unterstrich seine Behauptung mit einer Kopfbewegung auf die verbrannte Rhododendron-Hecke und das dahinter liegende Haus.
    »Du wohnst da drüben?«, fragte Will. »Dann hättest du mich eigentlich schon einmal sehen müssen. Ich war schon ein paarmal hier. Ich bin von der Versicherung, die das alles hier bezahlen muss, weißt du?«
    »Die von der Versicherung waren schon da«, antwortete der Junge. »Auch bei uns. Sie haben eine Menge Fragen gestellt. Aber Sie

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