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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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können, wenn er sich gegen die aufgezwungene Bewegung versucht hätte zu wehren.
    Natürlich glaubte er, dass ich mich nicht mehr wehren könne. Aber er war in meine Schmiede gekommen, in das Heiligtum von Wieland dem Schmied, und er konnte nicht all meine Geheimnisse kennen, die ich hier verbarg.
    Doch ich musste schlau und umsichtig vorgehen, denn auf keinen Fall durfte ich meine Tochter gefährden und die Art der geheimen Bindung, die den Unseren auf Ewigkeit Macht und Einfluss bescheren würde.
    Sich gegen Slavko zu wehren zu versuchen wäre absolut lächerlich gewesen. Aber das brauchte Will auch nicht, jedenfalls nicht auf die Art, wie es der dunkelhaarige Riese vermuten musste. Will wusste, dass er selbst verloren war, dass es wohl kaum noch etwas gab, was ihn retten konnte. Das unverletzte Bein fühlte sich wie Gummi an, das andere spürte er gar nicht mehr, und sein Herz pumpte hart und verzweifelt, um das Blut durch seinen Körper zu pressen, und wäre nicht die vollkommene Verzweiflung eines Menschen in ihm gewesen, der wusste, dass er wahrscheinlich nur noch wenige Stunden zu leben hatte, aber in dieser Zeitspanne alles unternehmen musste, um das Liebste und Schützenswerteste in seinem Leben zu retten, das Einzige, auf das es jetzt noch ankam: Er wäre wohl schon längst zusammengesackt und hätte sich von der Bewusstlosigkeit wegtreiben lassen, die mit gierigen Fingern nach ihm griff.
    Aber noch, noch war nichts verloren.
    Und er würde alles tun, um seinen letzten Trumpf klug und für Duffys Vorteil einzusetzen.
    Ich würde das Feuer der Hölle zu Hilfe rufen, das sich durch alles fressende, blaue Feuer der Zerstörung, und mit seiner Hilfe würde ich den Wolfsgesichtigen aus der Schmiede und von meinem Land vertreiben und mit seiner unbändigen Kraft meine Tochter aus seinen Fängen befreien.
    Seine Gedanken hatten längst jene Klarheit verloren, die man benötigte, um die Erfolgsaussichten verschiedener Alternativen gegeneinander abzuwägen, oder auch nur im Entferntesten in Betracht zu ziehen, dass man mit einer Verzweiflungstat mehr zerstören als gutmachen konnte.
    Er spürte, dass er dabei war, eine Grenze zu überschreiten, hinter die er sich nie wieder würde zurückziehen können. Während nichts in ihm war als ein unerträgliches Drängen, begann zwischen ihm und den Wänden der uralten Höhle etwas zu passieren, etwas, das bereits viel früher begonnen hatte, spätestens zu dem Zeitpunkt, als Reimann ihn hier heruntergeführt hatte, oder vielleicht, als er in seinem eigenen Blut gelegen und Georgs verrückten Ausführungen gelauscht hatte, oder sogar bereits in dem Moment, in dem er die alte, verfallene Gasse betreten hatte und seine Schuhe auf dem abgetretenen Kopfsteinpflaster fast metallisch klingende Klacklaute verursacht hatten, als ob er auf Eisen und nicht auf Stein gehen würde.
    Und plötzlich begriff er.
    Es war Metall in diesen Wänden, in diesem ganzen verfluchten Tunnelsystem, es war mit Kupfer und Zinn durchzogen, mit Blei durchsetzt, und selbst Spuren von Argentit und Pyrargyrit fanden sich in ihm, genauso wie Schwefel und Pyrit. Es war förmlich, als ob er die Mischung der Mineralien und anderer Einschlüsse riechen könnte, und es war, als überfiele ihn ein Wissen, von dem er nicht einmal geahnt hatte, es in sich zu tragen. Er sah sich am Blasebalg stehen und Anweisungen geben, er sah seine schwitzenden Gesellen die heiße Metalllegierung in eine Form gießen, er sah sich selbst ein Schwert schmieden, nicht heiß und doch voller Glut, als er die eine Legierung in die zuvor angefertigten Ausbuchtungen der anderen Legierungen einhämmerte, in diesem einen, dem allerwichtigsten Moment, der über Gedeih und Verderb der kostbaren Waffe entschied.
    Ja, er war Wieland – der Schmied des sagenumwobenen Schwertes Mimung –, gekommen, um seine Tochter aus den Klauen eines Ungeheuers zu erlösen, und ja, er war Will, der Autodieb, der hier hinabgestiegen war, um Duffy zu retten, ein Mädchen, das er kaum kannte und das ihm doch mehr bedeutete als alles andere auf der Welt. Er war zwei Personen und doch eine; er war Erinnerung an viele Leben, schattenhafte, schemenhafte Erinnerung, wie sie beim Durchblättern eines alten Familienalbums auftauchte, und er war gleichzeitig der Betrachter des Albums, der weiß, dass er sein eigenes Leben zu leben hat, auch wenn er gelegentlich nicht der Versuchung widerstehen kann, für eine Weile in die Leben seiner Vorfahren einzutauchen, als hätte

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