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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schwarzen Feuer, das tief am Grund ihrer Augen lauerte … Will räusperte sich ein paar Mal, trat tatsächlich von einem Fuß auf den anderen und antwortete, ohne Duffy direkt anzusehen: »Die beiden da draußen sind nicht unbedingt meine Freunde.«
    »Ich denke, du kennst sie gar nicht.«
    »Sie sind Bullen«, antwortete Will. Mit einem flüchtigen Lächeln verbesserte er sich: »Polizisten.«
    »Und du bist ein Verbrecher.«
    »Also genau genommen fallen die meisten Dinge, derentwegen ich bisher angeklagt wurde, unter den Begriff Vergehen«, antwortete Will mit einem schiefen Grinsen. »Aber Vergeher ist, glaube ich, kein Wort, das im Duden steht.«
    Duffy sah ihn verstört an, aber seine Taktik schien zu funktionieren. Das schwarze Feuer zog sich tiefer in ihre Augen zurück, und die unsichtbaren Flammen, die ihr Gesicht einrahmten, brannten jetzt nicht mehr ganz so heiß. Will atmete innerlich auf. Vielleicht war er auf dem richtigen Weg.
    »Und was werden sie jetzt mit mir machen?«, fragte Duffy.
    »Das weiß ich nicht«, gestand Will wahrheitsgemäß. Ebenso wahrhaftig fuhr er fort: »Aber du brauchst keine Angst vor ihnen zu haben. Sie werden dir helfen. Dazu sind sie da, weißt du?« Er zögerte einen Moment. »Um ehrlich zu sein: Sie können dir wahrscheinlich besser helfen als ich.«
    »Was ist da los?«, fragte Clara. »Wieso fahren wir nicht endlich weiter? Und was sind das für Geräusche?«
    Ich verstand sie kaum in dem Durcheinander aufgeregter Rufe und dem fernen Grollen, dem Dröhnen der bedrohlich nahen und bedrohlich großen Flugzeuge, deren bösartig brummende Motoren sie mitsamt ihrer schweren Last an uns vorbei in Richtung Stadt brachten – hoffentlich an uns vorbei, auch auf dem Rückweg; es wäre nicht das erste Mal, dass alliierte Bomber die über ihrem eigentlichen Ziel nicht losgewordenen Bomben auf einen Zug voll unschuldiger Menschen abgeworfen hätten.
    Die ältere Frau hatte ihre Brille abgenommen und starrte Clara an, als sähe sie eigentlich jemand ganz anderen. »Hab keine Angst, Kleines. Uns wird nichts passieren.«
    Duffys Blick wurde bohrend. Irgendetwas flackerte tief am Grunde ihrer Augen, aber es war nicht das schwarze Feuer, sondern eine ganz normale kindliche Mischung aus Wut und Trotz. Dann geschah etwas Unerwartetes: Mutlosigkeit machte sich auf ihrem Gesicht breit. Will konnte regelrecht sehen, wie jedes bisschen Kraft aus ihrem Körper wich. Ihre Schultern sackten nach vorne, und ihr Kinn sank kraftlos auf die Brust hinab. Ein paar Strähnen ihres nassen Haares rutschten nach vorne und bewegten sich wie Fetzen eines zerrissenen Schleiers vor ihrem Gesicht, und durch die Bewegung glitt auch der Hausmantel wieder von ihrer Schulter. Will konnte die schwach rote Schlangenlinie erneut sehen, und im ersten Moment war er sich fast sicher, dass es eine Narbe war, wie von einem Peitschenhieb, doch dann hatte er das Gefühl, als habe sich dort gerade etwas Lebendiges entlanggeschlängelt, das eine sichtbare Spur auf dem Rücken hinterlassen hatte. Aber das eine war so absurd wie das andere und offensichtlich nichts weiter als das Produkt seiner überreizten Fantasie.
    »Niemand kann mir helfen«, sagte Duffy leise.
    Plötzlich überschwemmte Will eine Woge so intensiven Mitleids, dass er am liebsten ans Bett herangetreten wäre, um Duffy in die Arme zu schließen. Es war nicht nur der Anblick des Jammers, den sie bot. Will spürte den Schmerz, der dieses bedauernswerte Geschöpf plagte, so intensiv, als wäre es sein eigener.
    »Das ist nicht wahr«, sagte er mitfühlend. »Ich weiß, es klingt blöd, wenn ausgerechnet ich das sage, aber du solltest Reimann vertrauen. Er kann dir viel besser helfen als ich.« Zumal er selbst ja nicht einmal wusste, worum es überhaupt ging.
    »Zieh dich an«, wiederholte er. »Ich warte draußen. Wenn … wenn du willst, dann komme ich mit zur Wache.« Was für ein Blödsinn. Er würde mit zur Wache kommen, ob er wollte oder nicht – die Frage war nur, ob Reimann oder Falkenberg ihm erlaubten, mit Duffy zu reden. »Beeil dich«, fügte er mit einem unbehaglichen Räuspern hinzu, während er sich bereits herumdrehte, um das Zimmer zu verlassen.
    Reimann stand an derselben Stelle, an der er ihn zurückgelassen hatte, telefonierte aber mit seinem Handy, während Falkenberg sich anscheinend in Luft aufgelöst hatte. Will sah sich suchend um und wandte sich nach rechts, als er ein Scheppern aus dem Wohnzimmer hörte. Er war nicht überrascht, als

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