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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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geschafft.
    Nur den Bruchteil einer Sekunde, bevor sich seine Finger um das zerbrechliche Handgelenk der blonden Frau schließen konnten, berührte der zweite Kontakt seine Kinnspitze, und der Lichtbogen sprang über. Reimann brüllte vor Qual, torkelte zurück und schlug beide Hände vors Gesicht, während er keuchend und ebenso qualvoll wie vergeblich nach Luft rang. Er war nicht so vollständig paralysiert wie Will. Vielleicht war er resistenter gegen Stromschläge als er, vielleicht benötigte der Elektroschocker auch einige Sekunden, um seine volle Ladung wieder aufzubauen. Dennoch gaben seine Beine unter ihm nach. Kaum weniger hilflos als Will eine Sekunde zuvor, prallte er gegen den Garderobenschrank und zertrümmerte ihn mit seinem Körpergewicht. Die Angreiferin führte ihren begonnenen Ausfallschritt zu Ende – ihre Bewegungen sahen irgendwie sonderbar aus, dachte Will, zugleich tänzerisch und elegant, aber auch so unglaublich schnell, dass sie schon wieder fast absurd schienen –, wich dem zusammenbrechenden Polizisten aus und ließ ihren Schritt in einer bizarren Pirouette münden, an deren Schlusspunkt sie sich wieder zu Falkenberg herumgedreht hatte.
    Möglicherweise war das ein Fehler. Falkenberg war zwar zurückgeprallt, um dem Angriff des Elektroschockers zu entgehen, und er hatte eine gute weitere Sekunde damit verloren, mit heftig fuhrwerkenden Armen um sein Gleichgewicht zu kämpfen, ein Anblick, den Will unter den meisten anderen vorstellbaren Umständen sicherlich genossen hätte. Jetzt hatte er sein Gleichgewicht aber zurückerlangt, und damit hatte der bizarre Spuk ein Ende: Er griff zu, packte das Handgelenk der Blonden und verdrehte es mit einem so harten Ruck, dass sie vor Schmerz aufschrie und den Elektroschocker fallen ließ. Den anderen Arm schlang er um ihre Schultern, um sie herumzureißen und auf diese Weise festzuhalten.
    Jedenfalls in der Theorie.
    In der Praxis machte die junge Frau eine Bewegung, die so schnell und gleichzeitig fast unmöglich war, dass Will ihr nicht wirklich folgen konnte. Aber er wusste plötzlich, warum ihm ihre Bewegung gerade so bizarr und zugleich sonderbar vertraut vorgekommen war: Es war kein Tanz, sondern Teil einer Kata, und falls Falkenberg dies auch begriff, dann kam diese Einsicht auf jeden Fall zu spät, denn plötzlich war er es, der sich hilflos in einem Polizeigriff gefangen fand. Allerdings nur für eine Sekunde. Die Angreiferin wirbelte ihn herum, krallte die freie Hand in sein Haar und trat ihm gleichzeitig in die Kniekehle. Falkenberg fiel mit einem viel mehr erstaunt als schmerzhaft klingenden Grunzen auf die Knie, und die Blonde riss seinen Kopf nach hinten und stieß ihn dann mit solcher Wucht nach vorne gegen die Wand, dass seine Stirn eine sichtbare Delle im Putz hinterließ. Falkenberg japste, verlor das Bewusstsein und kippte zur Seite, als die Blonde ihn losließ, und damit war es vorbei.
    Will, der noch immer hilflos auf der Seite lag und jedes noch so winzige Detail der unglaublichen Szene mit angesehen hatte, konnte nicht sagen, was ihm unglaublicher vorkam: die schreckliche Präzision und Kaltblütigkeit, mit der diese zerbrechliche junge Frau ihren Angriff durchgeführt hatte, oder ihre Schnelligkeit. Seit der Elektroschock seinen Körper gelähmt hatte, waren keinesfalls mehr als fünf Sekunden vergangen.
    Die junge Frau richtete sich mit einer fließenden Bewegung auf, sah nach rechts und links, wie um sich davon zu überzeugen, dass Reimann und Falkenberg im Moment auch wirklich keine Gefahr mehr darstellten, und bückte sich dann nach ihrem Elektroschocker. »Keine Angst«, sagte sie. »Keinem von ihnen ist etwas passiert. In zehn Minuten sind sie alle wieder auf den Beinen. Aber wenn ihnen etwas zugestoßen wäre, dann wäre es ganz allein deine Schuld.« Sie seufzte. »Das hier wäre wirklich nicht nötig gewesen.«
    Es dauerte einen Moment, bis Will begriff, dass die Worte nicht ihm galten, sondern jemandem, der irgendwo außerhalb seines eingeschränkten Gesichtsfeldes stand, und sein vom Schmerz verwüstetes Gehirn benötigte eine weitere geschlagene Sekunde, bevor es auch die Information weitergab, wer dieser Jemand war.
    »Ich … ich komme nicht mit zurück«, stammelte Duffy. »Ich gehe nie wieder zurück!«
    »Oh doch, das wirst du«, antwortete die Blonde. »Zwing mich nicht, dich zu zwingen.« Sie befand sich jetzt am Rand von Wills Blickfeld und setzte gerade dazu an, einen weiteren Schritt zu machen. Trotzdem

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