Feuer / Thriller
gespritzt? Igitt. Ich hasse das.«
Olivia biss die Zähne zusammen und sah hin. »Ist das nicht typisch für Langzeitsüchtige? Hat er noch weitere Nadeleinstiche?«
»Nein, und ich habe auch meine Zweifel, dass er es sich selbst gespritzt hat«, sagte Ian. »Ich habe das Bindemittel der Tabletten in seinem Magen gefunden, wie ich ja bereits gesagt habe, aber dann bin ich nachdenklich geworden. Die Menge an Bindemittel passt nicht zu dem hohen Niveau an Narkotika in seinem Kreislauf. Ich könnte mir vorstellen, dass er zwei Tabletten geschluckt hat und den Rest injiziert bekommen hat. In Anbetracht der Tatsache, dass er höchstwahrscheinlich nie zuvor Drogen genommen hat, wird er sich nach zwei von diesen starken Pillen kaum mit ruhiger Hand eine Spritze gesetzt haben.«
»Also hat ihm wirklich jemand geholfen.« Olivia war um der Eltern des Jungen willen froh.
»Kann es nicht sein, dass Joel die anderen verraten wollte?«, sagte Noah. »Und sie ihn zum Schweigen gebracht haben?«
»Noch etwas«, sagte Ian. »Injiziert kommt das Hoch natürlich sehr viel schneller, als wenn man die Tabletten schluckt. Und daher kann er eigentlich nicht mehr gefahren sein.«
Olivia runzelte die Stirn. »Was soll das heißen?«
»Ich glaube kaum, dass er den Wagen von der Straße gelenkt hat.«
»Jemand kann ihn hinters Steuer gesetzt, den Fuß aufs Gas gestemmt und den Gang eingelegt haben«, sagte Noah nachdenklich. »Wäre nicht das erste Mal, dass so etwas inszeniert wird.«
»Aber es muss jemand gewesen sein, der genug Kraft hatte, Joel in den Wagen zu schaffen«, fügte Olivia hinzu.
»Oder sie haben ihn nur über den Schalthebel geschubst«, meinte Ian. »Wenn man weiß, wonach man suchen muss, sieht man die Dinge anders.« Er deutete auf einen blauen Fleck an Joels linker Hüfte. »Könnte davon stammen, dass er aus dem Wagen geschleudert wurde. Oder eben vom Schalthebel.«
»Einerseits wird das den Fischers etwas mehr Seelenfrieden verschaffen«, sagte Olivia. »Andererseits aber auch die Trauer vertiefen. Jemand hat ihren Sohn ermordet.«
Mittwoch, 22. September, 11.15 Uhr
Austin stand auf dem Bürgersteig in der Innenstadt von Minneapolis vor der verglasten Front eines Fitnesscenters, an dessen Decke große Fernsehschirme hingen. Für die Kunden auf dem Laufband waren Untertitel eingeblendet.
Sein Gesicht war in allen Nachrichten. Gestern Nacht hatten die Brandstifter erneut zugeschlagen.
Vier Tote. Viele, viele Verletzte. Das muss aufhören. Ich kann dazu beitragen, dass es aufhört.
Dann wurde der nächste Beitrag gesendet, und ihm gefror das Blut in den Adern. Eine Bombendrohung.
In meiner Schule!
Ein nicht namentlich genannter Schüler, der fast entführt worden wäre. Ein erschossener Detective. Eine Dolmetscherin, die vermisst wurde.
Die Bombendrohung hatte etwas mit ihm zu tun. Versuchte jemand, ihn zu töten, um ihn vom Reden abzuhalten? Oder sollte Kenny vom Reden abgehalten werden?
Ein Mann, der als Captain Bruce Abbott bezeichnet wurde, erschien auf dem Bildschirm, neben ihm ein Dolmetscher, der in die Gebärdensprache übersetzte.
Austin, ruf uns an. Du bist in Gefahr. Wir können dich schützen.
Er senkte den Blick auf das Handy. Kenny hatte ihm eine weitere Nachricht zukommen lassen.
Glaub den Cops nicht. Ruf mich an. Ich kann dich verstecken.
Austin fiel nur eine Möglichkeit ein, die Wahrheit von den Lügen zu trennen. Er klickte auf die letzte Nachricht von Kennys neuer Nummer.
Bin in den Twin Cities. Habe Angst. Treffen wir uns?
Er drückte auf »Senden«, bevor er es sich anderes überlegen konnte. Dann setzte er sich wieder in Bewegung. Er durfte nicht stehen bleiben und Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Immer weitergehen.
Mittwoch, 22. September, 11.15 Uhr
Er musste sich zusammenreißen, um sich nicht über Austin Dents Schweigen aufzuregen. Austin war noch immer das Hauptthema der Medien, also hatte die Polizei ihn noch nicht gefunden. Er hatte noch eine weitere Nachricht in Kennys Namen geschickt. Er hatte nicht zu dick auftragen wollen, aber Herrgott noch mal – wo
war
dieser verdammte Bursche?
Wegen Detective Kane war den ganzen Vormittag viel los gewesen. Viele Cops hatten sich hier getroffen, über ihn gesprochen, getrauert, sich gefragt, wie das hatte passieren können. So ein netter Kerl. Und ein guter Bulle. Fast schon in Rente. Wie ungerecht.
Tja, das Leben ist eben nicht gerecht. Also kriegt euch wieder ein.
Er hatte gerade die nächste Bestellung entgegengenommen,
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