Feuer / Thriller
»Wir müssen reden«, brachte er schließlich hervor. »Aber nicht hier, wo jeder zuhören kann.«
Sie starrte ihn stumm an, und nach einer Weile, die ihm wie eine Ewigkeit erschien, nickte sie. »Ich ruf dich an. Wenn ich nachher Pause machen kann. Wann ist deine Schicht zu Ende?«
Erleichterung durchströmte ihn. Wenigstens hatte sie nicht nein gesagt. Also konnte es nicht so schlimm gewesen sein, was immer er getan hatte, oder? »Seit ungefähr zwei Stunden. Ich mache bereits Überstunden.«
Der Korb hatte den Boden erreicht, und sie löste den Gurt selbst und sah sich nach Kane um, der ein paar Meter abseits stand und sich mit dem Captain unterhielt. »Kane. Ian hat angerufen. Wir sollen ins Leichenschauhaus kommen. Halbe Stunde.« Sie sprang anmutig aus dem Korb. »Danke für die schöne Aussicht. Ich melde mich.«
David, der noch immer im Korb stand, sah ihr nach, wie sie, gefolgt von Kane, zu ihrem Wagen ging. Sie drehte sich kein einziges Mal um. Erst als das Auto durch das Haupttor gefahren war, wurde ihm bewusst, dass sie das Fernglas nicht zurückgefordert hatte.
Er steckte es ein. Das war weit besser gelaufen, als er erwartet hatte.
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5. Kapitel
Montag, 20. September, 10.55 Uhr
H aben Sie eine Frage, Mr. Marsh?«
Eric blickte auf und sah mit Erstaunen, dass sich der Seminarraum geleert hatte und sein Professor abwartend vor ihm stand. »Nein, Sir. Tut mir leid.«
»Mr. Marsh. Wenn Sie schlafen, schnarchen Sie. Wenn Sie wach sind, nehmen Sie teil. Sie haben heute weder das eine noch das andere getan, und Sie sind eine Viertelstunde zu spät gekommen. Stimmt etwas nicht?«
»Eine Mädchengeschichte«, sagte er hastig und täuschte Verlegenheit vor. »Ich werde mir die Mitschrift von jemandem besorgen.«
»Na gut. Kommen Sie am Mittwoch pünktlich zum Kurs.«
»Natürlich.« Eric floh aus dem Raum und ließ sich draußen gegen die Wand sinken. Falls jemand misstrauisch werden und nachfragen würde, würde der Professor sagen:
Ja, er wirkte durcheinander, geistesabwesend.
»Na, großartig«, murmelte er betreten.
Er musste den anderen reinen Wein einschenken. Das hier betraf sie alle. Sollten sie ein weiteres Haus abfackeln? Sollte er ihnen von dem Video erzählen? Joel würde ausrasten. Nicht auszudenken, was der Spinner tun würde.
Albert, dachte er, würde nicht überrascht sein. Albert wusste, dass jemand dort gewesen war, dass jemand anderes den Wachmann ermordet hatte. Denn
sie
hatten es nicht getan.
Nur würde ihnen das niemand glauben. »Wir sind so was von erledigt«, flüsterte er, dann zog er, noch immer gegen die Wand gelehnt, sein Handy hervor. Das des Erpressers steckte auf stumm geschaltet in seiner Hosentasche. Es kam nicht in Frage, dass der Mistkerl ihn während einer Vorlesung ansimste.
Treffen um zwölf vor der Bibliothek,
schrieb er, dann gab er die Adressen von Albert, Joel und Mary ein. Doch bevor er die SMS abschicken konnte, vibrierte das Telefon. Mary. »Was ist?«
»O Gott.« Ihre Stimme klang zittrig. Verängstigt. »Weißt du schon das mit Joel?«
Seine Furcht verstärkte sich. Hatte Joel doch etwas gesagt?
Verdammt!
»Was denn?«
Sie schniefte, und erst jetzt begriff er, dass sie weinte. »Er ist nicht zum Seminar gekommen.«
Eric stieß erleichtert den Atem aus.
Ist das alles?
Mary übertrieb es mal wieder – wie üblich. Eric hatte sie von Anfang an nicht dabeihaben wollen, aber Joel hatte darauf bestanden. Diese Frau machte Eric nervös und gereizt. Er hatte noch nie verstanden, warum Joel mit ihr zusammen war. Vielleicht war sie toll im Bett. »Wahrscheinlich hat er sich in seinem Zimmer verkrochen.«
»Nein. Er ist tot.« Ihre Stimme brach. »Joel ist tot.«
Eric spürte, wie alle Luft aus seinen Lungen strömte.
Wow. Albert ist schnell!
»Was ist passiert?«, fragte er.
»Er wollte zum College fahren, ist von der Straße abgekommen und gegen einen Baum gekracht. Er ist durch die Windschutzscheibe geflogen. Und verblutet.«
»O Gott.« Er hatte Albert eingeschärft, es schmerzlos zu machen, das jedoch hörte sich an, als hätte es höllisch weh getan! Aber nun war es geschehen, und auch damit würde er leben müssen.
Lieber Schuldgefühle als ein Leben hinter Gittern.
Das bedeutete allerdings auch, dass Joel heute Abend nicht mehr zur Verfügung stand. Sie mussten alle dabei sein, sonst würde das Video veröffentlicht werden.
Ich hätte es Albert sagen müssen. Wir hätten Joel gebraucht.
Vielleicht würde sich der Erpresser mit einer
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