Feuer / Thriller
Entschuldigung zufriedengeben.
Ich bitte, Joel von jeglichen erzwungenen Brandstiftungen zu entschuldigen, da er zwischenzeitlich verstorben ist.
Eric schloss die Augen. Das konnte doch einfach nicht wahr sein.
»Von wem weißt du das?«, fragte er plötzlich.
»Seine Schwester hat mich angerufen. Seine Eltern … sie haben nichts von uns gewusst. Joel meinte, sie würden unsere Beziehung nicht gutheißen. Aber seine Schwester wusste es und hat mir sofort Bescheid gesagt. Du darfst den Fischers nichts sagen, sonst kriegt seine Schwester Ärger.«
Joels Eltern waren orthodoxe Juden, Mary irisch-katholisch. Dass die Eltern eine solche Beziehung nicht billigten, war kein Wunder. Dass Joel sie geheim gehalten hatte, konnte Eric auch nicht überraschen. Er kannte Joel schon seit dem Kindergarten.
Ich sollte auch um ihn weinen,
dachte er.
Ich sollte traurig sein.
Aber er fühlte nur Angst. Diese ganze bescheuerte Sache war Joels Idee gewesen. Also war er in gewisser Hinsicht selbst schuld.
»Wir müssen uns treffen. Wir drei. Vor der Bücherei. Um zwölf Uhr.«
»Ich kann nicht«, sagte sie leise. »Ich habe ein Seminar.«
»Dann schwänze es«, fuhr er sie an. »Das hier ist wichtig.« Er legte auf. Er musste Entscheidungen treffen. Schwierige Entscheidungen. Sollte er das Lagerhaus eines Wildfremden abfackeln oder riskieren, in den Knast zu gehen? Sollte er den anderen etwas sagen?
Sie konnten abhauen. Das Land verlassen. Sie konnten in weniger als drei Stunden in Kanada sein und von da aus … Er hatte keine Ahnung, wohin man gehen musste, wenn man vor den Bullen fliehen wollte.
In irgendein Land, das kein Auslieferungsabkommen mit den USA hat.
Er brauchte Geld. Einen neuen Pass. Er brauchte mehr Zeit. Aber er hatte nur dreizehn Stunden.
Vielleicht würde der Erpresser nicht ernst machen. Andererseits … warum nicht? Er hatte nichts zu verlieren.
Aber ich. Ich verliere alles.
Eric schob die Hand in seine Hosentasche und holte das Prepaid-Handy hervor, um noch einmal die Adresse des Lagerhauses zu überprüfen, obwohl er sie längst auswendig kannte.
Wem gehörte es? Waren das gute oder schlechte Leute? Vielleicht hatte der Besitzer etwas Schreckliches getan. Etwas so Schreckliches, dass es ein Dienst an der Gemeinschaft war, sein Lagerhaus niederzubrennen.
Wem willst du was vormachen? Ich muss Zeit schinden.
Und das Lager in Brand zu setzen würde ihm die Zeit verschaffen. Solange nicht noch ein Mensch zu Schaden kam, ging es doch nur um Materielles. Materielles konnte man ersetzen. Dazu gab es Versicherungen.
Hatte er das gestern nicht auch gesagt? Gestern, als sie noch Umweltaktivisten gewesen waren? Gott. Wie hatte alles nur so schieflaufen können?
Darüber durfte er jetzt nicht nachdenken. Nun brauchte er Informationen über die Person, deren Warenhaus morgen früh nur noch Schutt und Asche sein würde. Er musste Albert und Mary davon überzeugen, dass sie das Richtige taten. Er musste sich Zeit erkaufen.
Montag, 20. September, 10.55 Uhr
Olivia hatte sich wieder gefasst, als Kane und sie das Leichenschauhaus betraten, aber Davids Worte klangen noch in ihrem Kopf nach.
Wir müssen reden.
Und worüber? Wieso er sich sieben Monate versteckt hatte? Oder würde er das gute alte Klischee hervorholen:
Weißt du, Olivia, es liegt nicht an dir, sondern an mir?
Sie hatte Haltung bewahrt. Ihm in dem Korb so nah zu sein, war Traum und Alptraum zugleich, und doch war sie nicht dahingeschmolzen, nicht einmal dann, als er seine Hände auf ihre Schultern gelegt und ihr ins Ohr geflüstert hatte. Und dabei hatte er ihren Namen gesagt! Heiser und sexy. Dem Mann strömte Sex aus jeder Pore. So gesehen, hatte sie sich wacker geschlagen.
»Liv?« Kane betrachtete sie amüsiert. »Entweder du verbannst den Kerl jetzt aus deinen Gedanken oder du gehst nach Hause und nimmst eine kalte Dusche. Sonst bringst du mich noch auf die Idee, mir eine sehr lange Mittagspause mit meiner Frau zu gönnen.«
Ihre Wangen begannen zu glühen. »Tut mir leid.«
Er tätschelte ihre Schulter. »Frag Ian mal, ob du ins Kühlhaus darfst. Soll helfen.«
»Wer muss ins Kühlhaus?« Gerichtsmediziner Ian Gilles kam aus seinem Büro.
»Niemand«, sagte Olivia fest. »Also – was hast du für uns?«
»Einen Treffer«, antwortete Ian. »Kommt mit und seht es euch an.« Er führte sie zu einer Lichttafel, an der Röntgenaufnahmen eines Schädels hingen.
Olivias Herz begann schneller zu klopfen. Direkt hinter dem Ohr befand sich
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