Feuer / Thriller
sagte Mr. Oaks, der Direktor, in Gebärdensprache zu Austins Mutter, dann warf er Austin einen mahnenden Blick zu. Sie waren alle drei gehörlos, und die Gebärden kamen rasch, bei seiner Mutter vor allem wütend. »Deine Mutter ist weit gefahren.«
»Drei Stunden«, bedeutete sie. »Aber es handelt sich um einen Irrtum. Austin raucht nicht.«
»Aber die Wohnheim-Aufsicht hat heute Morgen Rauch gerochen«, gab Oaks zurück, »nachdem der Rauchalarm aufzuleuchten begonnen hat. Als wir in Austins Zimmer kamen, saß Austin mit brennender Zigarette da.«
Das Gesicht seiner Mutter wurde blass. »Austin! Wieso? Sag mir, wieso?«
Weil ich Tracey zu dieser Baustelle mitgenommen habe. Ich wollte doch auf sie aufpassen. Jetzt ist sie tot. Und ich bin schuld daran.
Das Treppenhaus war voller Rauch gewesen.
Sie war hinter mir. Ich weiß, dass sie direkt hinter mir war.
Er hatte es nach draußen geschafft, Tracey nicht.
»Entschuldige«, gebärdete Austin. Aber Tracey war für immer gegangen, und das hier würde sie nicht zurückbringen.
Oaks runzelte die Stirn. »Austin ist für fünf Tage suspendiert. Er darf nächsten Montag zurückkehren.«
Austin schloss die Augen. Er verabscheute es, seine Mutter anzulügen. Aber wenn er ihr die Wahrheit sagte … Er sah noch den Mann mit dem Boot vor sich. Er hatte den Wachmann erschossen. Falls er erfuhr, dass Austin ihn gesehen hatte …
Seit der vergangenen Nacht war Austin mehrmals kurz davor gewesen, die Wahrheit zu sagen. Als der Schock über Traceys Tod abgeebbt war, hatte er sich an das Gesicht des Wachmanns erinnert, als die Kugel in ihn eindrang. Und an die weißen Zähne des Schützen, die im Mondlicht geschimmert hatten, als er lächelte.
Und an jede Einzelheit des Gesichts, als der Mann die Skimaske abnahm.
Der Mann würde versuchen, auch ihn umzubringen, wenn er erfuhr, dass man ihn gesehen hatte.
Was soll ich nur tun?
Seine Mutter stand auf. »Hol deinen Rucksack«, bedeutete sie ihm.
Der Rucksack. Er hatte ihn zurückgelassen. Im Feuer. Bücher und Hefte waren darin gewesen. Traceys Sachen.
Mein Hörgerät.
Er konnte nur hoffen, dass das Feuer alles vernichtet hatte. Niemand sonst durfte wissen, dass er dort gewesen war. Aber er brauchte die Hörhilfe. Seine Mutter hatte nicht genug Geld, um eine neue zu kaufen, und eine Versicherung hatten sie schon lange nicht mehr.
Was soll ich bloß tun?
Aber im Moment konnte er nichts tun.
Er stand auf. »Verloren«, gab er sich absichtlich unbekümmert.
Seine Mutter sah ihn nur an. Resigniert.
Nicht schon wieder.
Er wusste, dass sie es am liebsten hinausgeschrien hätte. Doch sie schüttelte nur müde den Kopf. »Fahren wir nach Hause.«
Montag, 20. September, 15.25 Uhr
Brie hielt an Barlows Wagen an, wo er, Olivia und Kane sich gerade die Personalakten ansahen. »Er muss entkommen sein«, sagte sie. »Wir haben im Haus keinerlei menschliche Überreste gefunden.«
»Dann haben wir zumindest einen Zeugen«, sagte Olivia. Das war mehr, als die Unterlagen der Angestellten bisher erbracht hatten. Darin befanden sich einige Leistungsbeurteilungen und die Ergebnisse von ein oder zwei Drogentests. Nichts, was irgendwie auffällig gewesen wäre. Also war die Neuigkeit, dass Traceys Partner nicht mit ihr zusammen umgekommen war, die beste Nachricht des bisherigen Tages.
Barlow reichte Brie die Tüte, in der sich Traceys Kleidung befand. »Können wir der Spur des Mädchens folgen?«, fragte er.
»Selbstverständlich«, gab Brie kühl zurück.
Olivia legte die Akte, die sie gerade durchgeblättert hatte, in den Karton in Barlows Wagen zurück. »Darf ich zusehen?«
Brie lächelte sie an. »Selbstverständlich«, erwiderte sie, sehr viel herzlicher.
Kane warf seine Akte ebenfalls in den Karton. »Ich komme auch mit.«
Brie holte Traceys T-Shirt aus der Tüte und ließ den Hund daran schnüffeln. »Karli, an die Arbeit.« Der Hund senkte die Schnauze zu Boden, und die beiden setzten sich in Bewegung.
Olivia und Kane folgten, Barlow mit der Kamera in der Hand ein paar Schritte hinter ihnen. Karli führte sie zur anderen Seite des Gebäudes, wo man Weems’ Leiche gefunden hatte. Er nahm Witterung auf, lief durch die Bäume und hielt am Maschendrahtzaun an. Hier befand sich einer der drei Schnitte, die die CSU gefunden hatte.
»Wir können weitergehen«, sagte Brie.
»Das sollten wir auch«, sagte Barlow. »Ich möchte gern wissen, auf welchem Weg sie hergekommen ist. Von hier aus kommt man nämlich nicht zum
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