Feuer / Thriller
scharf umrissen sind. Kein Profil, nicht einmal eine Chance, die Schuhgröße zu schätzen, obwohl es so aussieht, als ob es zwei verschiedene Personen gewesen sind.«
»Und wenn wir ihre Schuhe fänden?«, fragte Kane.
»Müsste man Spuren des Brandbeschleunigers und des Klebers finden«, gab Barlow zurück. »Falls noch Asche oder Staub daran haftet, können wir die Zusammensetzung mit der von hier vergleichen und belegen, dass der Besitzer der Schuhe hier war. Der Hund hat die Spur über den Bauhof bis zu dem Loch im Zaun verfolgt.« Er zeigte auf einen der Schnitte im Zaun, von denen Micki gesprochen hatte. Dieser war der Straße am nächsten.
»Sie sind also auf die Straße geflohen«, sagte Kane nachdenklich. »Nicht zum See. Henry Weems’ Mörder stand zwischen seinem Opfer und dem See.«
»Ja, das glaube ich auch. Der Hundeführer hat das Tier einmal ums Haus gehen lassen und es auch zu der Stelle gebracht, wo Henry Weems erschossen worden ist. Dort gab es nirgendwo die Spur von Brandbeschleuniger. Der Schütze kann über den See entkommen, aber ebenso zurück zum Haus gelaufen sein, um sich mit den anderen zu treffen.«
»Das heißt, wer immer Henry erschossen hat«, folgerte Olivia, »ist entweder nicht in den Kleber getreten oder war niemals im Gebäude.«
»Vielleicht hat er Henry erschossen und ist dann ins Haus gegangen und hat den Brand gelegt.«
»Falls sich bei Weems keine Anzeichen von Rauchvergiftung finden, ist das eine Möglichkeit«, sagte Barlow.
»Ian will die Autopsie heute Nachmittag vornehmen«, sagte Olivia. »Wenn Weems getötet wurde, nachdem der Brand gelegt wurde, und sich drinnen zwei Täter aufhielten, dann haben wir es mindestens mit drei Personen zu tun. Die Frage ist – hatten Tracey und ihr Sexpartner etwas mit diesen dreien zu tun?«
»Und lebt besagter Sexpartner noch?«, fügte Barlow hinzu.
»Und wenn die Brandstifter durch diese Seitentür hinausgelangt sind«, fuhr Kane fort, »sind sie dann auch dort hineingekommen? Und wie ist Tracey Mullen reingekommen?«
»Das Schloss an der Seitentür ist nicht manipuliert worden«, sagte Barlow, »aber das soll nichts heißen. Auf einer Baustelle werden Türen häufig offen gelassen.«
»Aber das wäre doch etwas gewesen, was der Wachmann überprüfen müsste, oder?«, fragte Olivia.
»Die Tür lag auf seiner Strecke. Der erste Halt war die Kamerakonsole im Baucontainer, danach hätte er alle Türen von außen abgehen müssen, dann einmal das komplette Gelände. Aber Weems ist niedergeschlagen worden, als er aus der Hintertür kam. Er hatte gar keine Chance.«
Olivia sah Kane an. »Wir müssen ihn genau überprüfen.«
Kane nickte. »Ja, ich weiß. Wir können nicht ausschließen, dass er von dem Plan gewusst hat und sie ihn getötet haben, damit er den Mund hält. Zuerst schauen wir uns seine Konten an. Diskret natürlich.«
»Klar, wir müssen der Familie nicht noch mehr Kummer bereiten, sofern es nicht zwingend nötig ist«, murmelte Barlow. »Habt ihr Weems’ Tochter in den Nachrichten gesehen?«
In seinen Augen sah Olivia das Mitgefühl, das sie von früher kannte.
Nur als ich ihn brauchte, hat er den arroganten Mistkerl rausgekehrt.
»Nein. Was hat sie gesagt?«
Einen bittersüßen Moment lang war es wie früher, als sie noch Freunde gewesen waren. »Sie hat betont, wie sehr sie uns vertrauen würde.« Er begegnete ihrem Blick und hielt ihn fest. »In Anbetracht der Tatsache, dass sie gerade ihren Vater verloren hat, war sie bewundernswert stark. Ich möchte nichts tun, was wir nachher … bereuen müssen.«
Olivia nickte. Sie hatte ihren eigenen Vater an demselben Abend verloren, an dem auch ihre Freundschaft mit Micah Barlow in sich zusammengefallen war.
Weil er ein arroganter, selbstherrlicher Mistkerl gewesen war.
Hatten seine Worte gerade eben etwa der Ansatz einer Entschuldigung sein sollen? Abwarten …
»Wir passen auf«, sagte sie. »Wir wollen ihn ja nur als … Komplizen ausschließen.«
Sie konnte sehen, dass er die unterschwellige Bedeutung ihres Satzes verstanden hatte – so wie sie die seine.
»In Ordnung.« Barlow sah weg. »Es wird eine Weile dauern, bis Bries Hund das ganze Gebäude abgelaufen ist. Ich habe die Personalakten der Leute, die sich bei Rankin & Sons um dieses Projekt gekümmert haben, im Auto. Wir könnten sie durchgehen, während wir warten. Vielleicht fällt uns ja irgendetwas auf.«
Montag, 20. September, 14.40 Uhr
»Danke, dass Sie gekommen sind, Mrs. Dent«,
Weitere Kostenlose Bücher