Feuer um Mitternacht
stimmt. Er hatte gar nicht nötig, sich Geld von anderen Leuten zu leihen. Titus wußte nur zu gut, daß er mich jederzeit um Geld bitten konnte. Er tat es, und er bekam es. Und ich würde es wieder tun, wenn das ihn zurückbrächte. Peter Sönderup rechnete mit Pfennigen, wenn keine Markstücke in der Nähe waren. Er war zu gut mit Geldgeschäften vertraut, um Geld in unklare Geschäfte zu stecken, bei denen er verlieren konnte. Und Titus Unschlitt war ein Verlustgeschäft, das wußte Peter Sönderup.“
Das klang einleuchtend und deckte sich mit dem, was Kollege Tackert mir berichtete.
„Und niemand wußte, daß Sie Unschlitt Geld gaben?“
„Niemand. Das ging nur mich und Titus etwas an. Es war mein Geld und meine Angelegenheit, wem ich es schenkte. Titus hätte ohnehin alles bekommen, was ich besitze. Nun wird Markus es erben.“
„Hatte Sönderup mit Aktien zu tun?“
„Ja. Peter roch, wann er Aktien kaufen und verkaufen mußte. Er verdiente Geld, wenn andere verloren.“
„Halten Sie es für möglich, daß Herr Küppers Aktientips mit Sönderup austauschte ?“
„Behauptete er das?“
„Ja.“
„Und glauben Sie ihm?“
„Eigentlich nicht.“
„Ich auch nicht.“
Es blieb nicht viel nach, wo ich einhaken konnte. Wir mußten von Markus Unschlitt sprechen.
Ich fragte, obwohl es nichts mit der Sache zu tun hatte; ich fragte, weil es mich interessierte: „Frau Steenkamp, haben Sie mal mit Markus über seinen Vater gesprochen — nach dem Unglück?“
Sie senkte den Kopf, als hätte ich einen wunden Punkt berührt.
„Sie haben es erfahren: Titus war mir wie ein Sohn. Gut, ein Sohn mit Fehlern.“ Ihre Stimme hatte einen knurrenden Unterton. „Was hätte ich einem Kind sagen sollen? Daß der geliebte Vater nicht so war, wie er ihn sah? Daß er die Mutter quälte und nicht umgekehrt? Selbst wenn ich es gewollt hätte — und ich wollte nicht — , Markus hätte mir nicht geglaubt. Ich wollte nur eins: die liebe, gute, alte, verständnisvolle Tante für ihn bleiben. Und das will ich noch!“
„Diese Streiche...“, sagte ich. „Ich will mal die roten Hähne dazurechnen. Es ist wahrscheinlicher, daß sie von einem Kind als von einem Erwachsenen ausgeführt wurden. Von einem Jungen... Die Leute reden über Markus Unschlitt. Und an jedem Gerücht hängt ein Körnchen Wahrheit. Sagt man...“
„Sie brauchen kein Körnchen Wahrheit — Sie brauchen einen Zeugen, der Markus beobachtete.“
„Ja“, sagte ich, „den brauche ich allerdings. Auf Ihrer Fensterbank liegt ein Fernglas...“
„Das benutze ich, um nach den Vögeln auszuschauen, und ich hänge es mir um, wenn ich am Strand spazierengehe . Machen Sie sich da keine Hoffnungen.“
Sie gab sich gar nicht die Mühe, eine glaubwürdigere als diese fadenscheinige Erklärung zu geben. Vielleicht war jetzt der richtige Augenblick, um es zu erwähnen.
„Markus Unschlitt ist noch keine vierzehn Jahre alt?“
„Im nächsten Monat wird er vierzehn.“
„Dann ist er noch nicht strafmündig.“ Ich erklärte es ihr genauer: „Ein junger Mensch, der das vierzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, kann nicht vor ein Gericht gestellt und für begangene Straftaten abgeurteilt werden, sagt das Gesetz.“
Lene Steenkamp nickte nur, sagte aber nichts dazu. Ich hatte mir ein verflucht schwieriges Geschäft in Tarrafal eingehandelt.
Melchior saß weit weg an seinem Schreibtisch, und ich krebste hier im Nebel herum.
„Kollege Tackert wollte mir keine Antwort geben. Wenn ich Sie frage, Frau Steenkamp, kann es auch nicht schlimmer kommen: Glauben Sie, daß Markus für diese — diese Streiche verantwortlich ist?“
„Ich habe Ihnen ja gesagt, was Markus für mich bedeutet: Das glaube ich erst, wenn Sie es mir beweisen können.“
„Halten Sie es für möglich, daß er das Feuer legte?“
„Darauf bekommen Sie eine klare Antwort: Nein!“
Mit diesen Antworten hatte ich gerechnet. Sie würde sogar einen Meineid auf sich nehmen, um ihn zu schützen.
„Weiß Markus’ Mutter etwas?“
Jetzt streckte sie bittend die Hände aus.
„Sie weiß nichts — wirklich nichts. Ich bitte Sie herzlich, Herr Bank, befragen Sie sie nicht. Sie ist nicht mehr belastbar, braucht das bißchen Kraft, um mit ihrer Arbeit und dem Tod ihres Mannes fertigzuwerden.“
„Ich werde Frau Unschlitt nicht befragen. Aber ich muß mit Markus Unschlitt reden. Morgen noch nicht, morgen habe ich einige Wege zu erledigen und anderen Leuten Fragen zu stellen.
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