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Feuer um Mitternacht

Feuer um Mitternacht

Titel: Feuer um Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boy Lornsen
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Nachrichten versorgte. Aber das erfuhr er bestimmt nicht — da war ich unbesorgt.
    Rote Hähne auf Peter Sönderups Hausdach! Seit Wochen waren sie Hauptgesprächsstoff in Tarrafal. In den Stuben, über die Gartenpforten hinweg, an allen Ecken steckten die Leute die Köpfe zusammen und flüsterten. Diese geheimnisvolle Sache ließ sich auseinanderpflücken wie Schafwolle. Jemand haßt Peter Sönderup! Jemand bedroht ihn mit Feuer! Wartet ab, es wird noch ein Unglück geben.. ! Peter Sönderup war nicht sehr beliebt in Tarrafal. Und wenn von Haß die Rede war, dachten die Leute an mich. Vor einem halben Jahr hing mein Vater in Hageldorns Kastanie an dem langen Ast, der auf Peter Sönderups Haustür zeigte — tot! Vater beging Selbstmord.
    Viele im Dorf mochten den Riesen Tackert, und ich war einer von ihnen. Tante Lene schätzte ihn auch. Sie winkte ihn oft ins Haus, wenn er gerade vorbeikam, und die beiden redeten eine halbe Stunde miteinander. Einmal, im Winter, als Tante Lene krank war, schaufelte er ihr sogar persönlich den Schnee von Tür und Straße weg. Ich weiß, was ich sage; denn ich habe ihm dabei geholfen.
    Polizist Tackert war nicht übel und schon gar kein Eisenfresser, der mit Ordnungsstrafen um sich warf. Ich werde von jetzt an Jumbo sagen — alle Kinder in Tarrafal sagten Jumbo. Sogar Sylvie tat das, wenn sie von ihrem Vater sprach.
    Jumbo Tackert war wie ein großer plumper Elefant. Ein Elefant, der seine Säulenbeine sehr behutsam aufsetzte, damit er nur kein kleineres Wesen zertrat.
    Seit einigen Monaten ging ich ihm vorsichtig aus dem Weg, spähte immer zuerst in alle Querstraßen hinein, damit ich seinen grünen Frack rechtzeitig genug entdeckte, um mich noch hinter die nächste Wallecke zu drücken.
    Ich wollte nicht, daß er mir Fragen stellte. Und ich wollte aus einem besonderen Grund keine Scherereien mit Jumbo. Weil... Na, gut, weil ich Sylvie Tackert ziemlich gern mochte und sie mich auch. Schließlich war er ihr Vater. Sylvie war nicht groß und plump, sondern schlank und zierlich wie die Porzellantänzerin in Tante Lenes Eckschrank. Wir verabredeten uns öfter. Vor vier Wochen trafen wir uns noch an einem Ort, wohin uns so schnell keiner nachsteigen konnte: auf dem Wasser. Wir segelten, wenn es gerade mit der Flut paßte. Aber die Segelsaison war nun vorbei. Jetzt trafen wir uns am großen Stein.
    Sylvie wußte sogar mehr von mir als Tante Lene.
    Jumbo legte seinen Quadratkopf in den Nacken und schaute zu Sönderups Wetterhahn hinauf. Diese hochnäsige Krähe zeigte Westwind an. Das wußte ich, auch ohne mir Rat bei dem Vogel zu holen. Einfach so: Der Wind fuhr mir von hinten über den Nacken und blies etwas schräg auf Sönderups Haus zu: Westwind! Die Himmelsrichtungen konnte ich fast ohne hinzuschauen angeben; sie waren wichtig beim Segeln.
    Der Wetterhahn hatte dringend ein paar Tropfen öl nötig. Er quietschte erbärmlich, wenn eine Windbö ihn faßte und tanzen ließ. Das hätte Sönderup gleich mitbesorgen können — vor Wochen, als er verzweifelt seinen Protzhahn suchen mußte, ihn endlich wiederfand und von neuem auf sein Dach montierte.
    In Tarrafal ging herum, ich, Markus Unschlitt, hätte den Wetterhahn von Sönderups Dach gepflückt aus purer Bosheit. Sie hatten recht! Nur tat ich es nicht aus Bosheit — aus Rache tat ich es! Sollten sie reden, das scherte michnicht.
    Ich habe nichts gegen Wetterhähne. Aber ich wußte, wie irrsinnig stolz Peter Sönderup auf seinen Goldhahn war.
    Damit konnte ich ihn treffen!
    Ich fing es recht intelligent an, meinte ich. Die Nacht, die ich wählte, war nicht so pechschwarz wie heute. Darum setzte ich die Zeit auf zwei Uhr morgens an. Um diese Stunde konnte ich sicher sein, daß auch die letzten Badegäste ihre Betten gefunden hatten. Bis zwölf Uhr geisterten sie immer noch auf den Straßen und am Kliff herum, atmeten die gute Luft auf Vorrat ein. Manchmal stocherten ihre Autoscheinwerfer noch später durch die Nacht; dann kehrten sie aus Lokalen zurück. Ich hielt mich mit Lesen wach, bis der kleine Zeiger der Uhr — viel zu langsam — auf die Zwei vorrückte. Schraubenzieher, Schraubenschlüssel, Kneifzange, Eisensäge, ein kleines Brecheisen — das alles hatte ich gleich nach dem Abendbrot in einen Lappen gewickelt und zu einem handlichen Paket verschnürt, das ich mir über die Schulter hängen wollte. Werkzeug brauchte ich; denn ich wußte nicht, was ich auf dem Dach vorfinden würde. Um das hohe, möglicherweise glitschige

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