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Feuer um Mitternacht

Feuer um Mitternacht

Titel: Feuer um Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boy Lornsen
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den Kopf meines Feindes scharf in der Optik hatte, den Rauch seiner Zigarre steigen sah. Die Sönderups zogen die Vorhänge nicht mehr zu, seitdem die roten Hähne auf ihrem Dach gehockt hatten. Ich beobachtete sie so oft, daß ich die Falten in ihren alten Gesichtern aufzählen konnte.
    Ganz nahe war Peter Sönderups hochmütiges Gesicht vor meinen Augen. Er konnte mir nur entkommen, wenn er das Zimmer verließ oder die Vorhänge zuzog. Ich sah seine zufriedenen Hängebacken, den feisten Nacken und die komischen Löckchen, die seine Glatze einrahmten.
    So wenig änderten sich ihre Gewohnheiten an den Abenden, daß ich mein Fernglas hätte fest in der Kastanie montieren können. Zwei wuchtige Sessel nebeneinander, davor ein niedriger, runder Tisch, alles auf den Fernsehapparat ausgerichtet. Drei Möbel, die anscheinend nie von ihren Plätzen gerückt wurden, die immer bereitstanden, als seien sie am Fußboden angeschraubt.
    Er saß links, näher zu mir hin. Sie saß rechts, ein wenig nach vorn gerückt. Er verfolgte mit steif aufgerichtetem Kopf das Fernsehprogramm. Sie schlummerte vor sich hin, das Kinn auf die Brust gesenkt, und ihr Kopf pendelte von einer Seite zur anderen. Hin und wieder schreckte sie auf, um bald danach wieder in sich zusammenzusinken. Sein Kelchglas zeigte eine dunkelrote Füllung, die stetig abnahm. Sobald das Glas leer war, schenkte er Rot nach, aus einer Flasche, die er sich vom Fußboden heraufangelte. Aber das geschah nicht mehr als dreimal am Abend. „Peter Sönderup trinkt teuren Portwein“, wußte man in Tarrafal. Ihr Glas enthielt eine wasserhelle Flüssigkeit, konnte Wasser oder auch Brause sein. Sie nippte nur ganz selten daran und schenkte auch nicht nach. Sie schauten sich nicht an. Sie redeten nicht miteinander. Vielleicht hatten sie tagsüber schon gesagt, was zu bereden war. Einmal mindestens während des Abends stand Peter Sönderup auf und trat an das Fenster heran. Dort blieb er eine Weile stehen, starrte in die Finsternis hinaus — ein schwarzer Klotz hinter der Scheibe. Plagte ihn sein Gewissen?
    Schon wieder Niklas Hageldorn! Wieder rannte er um die Hausecke, kam nach eineinhalb Minuten zurück, verschwand hinter der froschgrünen Haustür. Niklas hatte heute seinen unruhigen Tag.
    Keine Klingel, kein Telefon und einen Nachttopf unter dem Bett — das war Niklas Hageldorn. Eigentlich ein netter Kerl. Seine Augen schauten blaßblau und erstaunt in die Welt, und er lächelte wie ein Lebkuchenmännchen. Seinen kleinen Laden, in dem er von sauren Gurken über Petroleum bis zur Bohnensaat alles verkaufte, führte er ganz allein mit seiner Frau. Nicht wenige hielten Hageldorn für einen Trottel, der allen Neuerungen hinterherhinkte. Tante Lene war anderer Meinung: „Niklas“, sagte sie, „setzt sich die Narrenkappe auf und läßt die anderen tanzen. Und sie merken es nicht.“ Ich fragte ihn einmal, ob man denn heutzutage ohne Telefon noch ein Geschäft führen könne. Man könnte, erklärte er mir augenzwinkernd, wenn es sich um einen Museumsladen handle wie den seinen. Die Feriengäste, seine besten Kunden, wollten später erzählen können „...wir haben da in einem Laden eingekauft, so was gibt’s gar nicht mehr.“ Das ließen sie sich etwas kosten; denn Supermärkte hätten sie in ihren Städten genug.
    Ich sah ihn nicht um die Ecke biegen, wurde ihn erst gewahr, als er an Hageldorns Tür donnerte. Niklas hatte wohl hinter der Tür gelauert — so schnell öffnete er.
    Tim Weppler , der Briefträger von Tarrafal, wedelte mit einem Papier in der Luft herum und schrie, daß ich jedes Wort verstehen konnte: „Niklas! Du bist Großvater geworden! Eine Enkeltochter!“
    Also darum schaute Hageldorn so oft um die Hausecke: Er erwartete ein Großvater-Telegramm! Ich kannte seine Tochter Else, ein hübsches Mädchen. Sie war Sekretärin bei unserem Pastor gewesen, bevor sie heiratete.
    Niklas führte eine Art Freudentanz auf. Das Fernglas holte die beiden Gestalten ganz nahe zu mir heran. Jetzt schwenkte Hageldorn das Papier in der Luft herum, und mit dem anderen Arm hielt er den Briefträger wie einen lieben Kegelbruder umfangen.
    „Mutter! Mutter!“ brüllte er durch den Flur nach hinten. „Wir haben eine Enkeltochter! Kind und Else sind gesund!“ Und zu Tim Weppler sagte er: „Danke Tim, daß du dein Versprechen wahrgemacht und uns die frohe Nachricht überbracht hast.“
    „Ich hatte extra vereinbart, daß sie mir das Telegramm noch bis elf Uhr durchsagen

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