Feuer um Mitternacht
mitschuldig am Tod deines Vaters?“
„Ja.“
„Glaubst du immer noch so fest daran?“
„Nicht mehr so wie früher. Peter Sönderup ist tot.“
Warum stellte er so viele unnötige Fragen? Warum machte er Umwege? Warum fragte er nicht gleich...?
„Und mich“, sagte er, „hat man nach Tarrafal geschickt, um herauszufinden, wer oder was das Feuer verursacht hat.
Peter Sönderup ist tot. Verbrannt. Sein Tod war ein Unglück — aber ein Unglück, das nur geschehen konnte, weil sein Haus in Flammen aufging. Ein Unglück, an dem irgendeiner die Schuld trägt, glaube ich. Und wenn es nicht so sein sollte, brauchte ich auch dafür eine Erklärung.“ Jetzt schaute er mich an. Er war nicht viel größer als ich. „Diese roten Hähne sind eine verfluchte Sache, Markus. Sie bedeuten Feuer und Drohung, Brandstiftung und Angst. Und es hat gebrannt!“
„Aber ich war’s nicht! Ich hab’s nicht getan!“ schrie ich ihn an.
Ihn berührte mein Brüllen gar nicht. „Ich möchte dir gern glauben“, sagte er ruhig. „Aber glauben reicht nicht: Ich muß es genau wissen! Du wirst mir noch mehr Fragen beantworten müssen.“
Unsere Schritte knirschten auf dem feuchten Sand. Wir schauten beide nicht auf das Wasser, das nun seinen höchsten Stand erreicht hatte. Wir blickten auf unsere Füße, und wir dachten beide nach.
Die Fragerei ging weiter. Und die schwierigen Stellen für mich kamen erst noch.
„Gestern“, sagte er leise, „ gestern nachmittag war ich auf dem Friedhof in eurer Kapelle — dienstlich und weiß Gott nicht gern. Da oben liegt Peter Sönderup oder das, was von ihm übrig ist. Ich hab’s mir anschauen müssen und ein Amtsrichter auch — als Zeugen. Ein Arzt in Gummischürze machte die Obduktion. Der Amtsrichter und ich hielten nicht lange aus. Wir flüchteten vor die Tür. Uns wurde übel
Hör auf! dachte ich. Hör auf damit!
„Obduktion bedeutet Leichenöffnung: Der Arzt will die Todesursache feststellen. Ich muß oft dabeisein , und ich renne jedesmal raus.“
Jetzt schaute er mich an, sah wohl, daß ich weiß im Gesicht war und krampfhaft schluckte. Mir war vom Zuhören schlecht. Wollte er das?
„Wir setzen uns für eine Zigarettenlänge“, sagte er. „Drüben am Hang ist eine Grasstufe. Ich muß eine rauchen.“ Während wir uns niederließen, sprach er weiter: „Ich weiß, das hört sich alles andere als angenehm an. Aber du bist alt genug, um es zu erfahren, und ich will es dir nicht ersparen. Wer rote Hähne in ein Hausdach schießt, darf sich nicht vor dem drücken, was danach geschieht. Im nächsten Monat wirst du vierzehn Jahre alt. Dann behandelt dich das Gesetz nicht mehr wie ein Kind. Du kannst zur Verantwortung gezogen werden, falls du eine Straftat begehst, und man sie dir nachweisen kann.“
„Ich habe Peter Sönderups Haus nicht angezündet“, sagte ich leise vor mich hin. Ich war nahe daran, alles zu sagen.
Er steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen, schaute auf die Schachtel, zögerte... „Du auch?“ Ich nahm eine — nur, um etwas in der Hand zu halten. Ich rauchte sonst nicht, obwohl es gar nicht so wenige in meiner Klasse schon tun.
Das erste Streichholz zerbrach, als er rieb. Er mußte ein zweites nehmen: Das hatte ich schon einmal beobachtet. „Wie vorgestern an der Kastanie“, rutschte mir heraus.
„An der Kastanie...? Ach so — “ Er erinnerte sich. „Der beobachtete Detektiv, was? Wo hattest du dich denn versteckt? Hinter dem Steinwall?“
„Nein. Auf Anton Sellmers Schuppendach hinter einem Pappkarton.“
„Mir ist nichts aufgefallen“, sagte er kopfschüttelnd.
„Ich habe mich auch nicht vom Fleck gerührt, solange Sie in der Nähe waren. Dabei bekam ich einen kalten Bauch und ein steifes Genick.“
Vor uns zog sich das Wasser zurück. Der Ebbstrom begann zu saugen. Zwanzig Meter rechts schob sich die Steilwand des roten Kliffs wie eine gewaltige Nase vor. Ich wünschte, daß es bald vorbei wäre. Aber es dauerte noch einmal so lange: Wir hatten den gleichen Rückweg vor uns. Ich pustete den Rauch aus, kaum, daß ich ihn in die Mundhöhle gesogen hatte. Dann standen wir auf.
„Wir wollen den Rest hinter uns bringen“, sagte Graueule. Den Weg meinte er damit bestimmt nicht — er meinte das, was er noch von mir erfahren wollte...
„Warst du in der Brandnacht auf deinem Ausguck in Hageldorns Kastanie?“
„Ja.“
„Von wann an?“
„Um zehn bin ich aus dem Haus gegangen. Zwanzig Minuten brauchte ich für den Hinweg
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