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Feuer um Mitternacht

Feuer um Mitternacht

Titel: Feuer um Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boy Lornsen
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dem Stein abknickte und im rechten Winkel auf das Haus zulief. „Und die Straßenlaterne fehlt noch.“ Ich markierte sie durch eine weiße Herzmuschelschale.
    „Mach weiter!“ forderte er mich auf.
    Ich zeichnete noch Anton Sellmers Haus ein, den Schuppen, die Straßenkreuzungen rechts und links und hinter Sönderups Rechteck noch eins für David Küppers’ Haus.
    Er tippte auf den Stein.
    „Dort hast du gesessen. Was konntest du alles übersehen?“
    „Mal überlegen“, sagte ich.
    Jetzt aufpassen, Markus! Ich war in der ganzen Kastanie herumgeklettert, damals, als sie noch dicht belaubt war und später, als die Blätter fielen. Ich kannte in ihrer Krone jeden Ast und jede Aussicht. Nun verlegte ich meinen Sitzplatz in Gedanken eine Astgabel tiefer, als er in der Brandnacht gewesen war.
    Herr Bank durfte gern in die Kastanie steigen und alles mit eigenen Augen nachprüfen.
    „Peter Sönderups Haus konnte ich gut überschauen und bis Anton Sellmer reichte es auch noch“, sagte ich vorsichtig. „Von der linken Straßenkreuzung sah ich ein gut Teil, von der rechten nicht so viel. Äste und Zweige schlängelten sich durch mein Blickfeld.“
    „Was sahst du von Hageldorns Haus?“
    „Wenn ich mich drehte — die Haustür und etwas von der Hauswand.“
    „Wo genau sahst du diesen Zigarrenstummel zuerst? Zeig mir bitte die Stelle!“
    Ich beugte mich über die Sandzeichnung und setzte meinen Finger zwischen seine Straßenlinien. „Hier! An Hageldorns Straßenseite, etwas rechts von der Straßenlaterne.“
    Er nahm die Zigarettenkippe aus dem Mund und legte sie in die kleine Grube, die mein Finger in den Sand gedrückt hatte. Es zischte leise, als die Glut von der Feuchtigkeit getötet wurde.
    „So richtig? Keine Verbesserungen mehr?“ fragte Graueule.
    „Keine“, antwortete ich.

    „Dann werde ich unsere Sandmalerei in mein Notizbuch übertragen. Tatortskizze nennt man das.“
    „Hör zu fing er wieder an. „Du sitzt in der Kastanie... Du beobachtest Sönderups Haus, aber auch, was um dich herum vorgeht... Plötzlich siehst du einen Zigarrenstummel... Sagst du! — Und ich sage dazu: Daß es ein Zigarrenstummel war, der von der Straße her auf Sönderups Dach flog, weiß ich nur durch deine Aussage. Ich will nicht behaupten, es sei so gewesen; aber es könnte so gewesen sein: Es war keine Zigarre — es war eine Zigarette! Und nicht ein unbekannter Jemand hat sie geraucht: Du hast sie geraucht, oben im Baum! Du hast die Kippe weggeworfen!“
    „So war es nicht!“ schrie ich ihn an. Darum hatte er mir eine Zigarette angeboten: Er wollte nur erfahren, ob ich rauchte!
    „Nein? Dann anders: Du hast die Kippe nicht weggeworfen — sie wurde dir vom Wind aus der Hand gerissen! War es so, Markus?“
    „Nein. Es war so, wie ich erzählte. So blöd, daß ich mich und mein Versteck durch eine glühende Zigarette verrate, bin ich nicht. Ich rauche nicht. Ich habe eine Zigarette von Ihnen genommen, ja. Aber ich hab’ doch bloß so vor mich hingepafft.“
    „Und ich bin gewohnt, daß man mich belügt“, knurrte er vor sich hin. „Weiter — es war ein Zigarrenstummel. Wie wurdest du auf ihn aufmerksam? Sahst du zufällig in die richtige Richtung?“
    Er ließ mir keine Ruhe, hetzte mich mit seinen Fragen. Und ich schlug Haken, wie ein verfolgter Hase. Gut, daß ich es mir gestern abend so oft vorgebetet hatte.
    „Ich wollte Schluß machen in der Kastanie. Zu beobachten gab es nichts mehr. Die Sönderups waren ja zu Bett gegangen. Ich hatte mich über eine Stunde nicht vom Platz gerührt. Mir war kalt. Der Wind hatte eher noch zugelegt als abgeflaut. Die Böen folgten einander in kürzeren Abständen. Sönderups Wetterhahn quietschte dazwischen... (Ich redete ja zu Sylvie!) Da rutschte mir das Fernglas aus der Hand — “
    „Moment“, unterbrach mich Graueule. „Hattest du denn den Riemen nicht um den Hals gelegt?“
    „Nein“, sagte ich, „nein, hatte ich nicht.“ Scheiß — an den Riemen hätte ich denken müssen! Nun war es zu spät. Mir fiel so schnell nichts ein.
    „Weiter.“
    „Ich hatte mich schon halb herumgedreht, tastete mit den Füßen nach dem unteren Ast... Da glaubte ich Schritte zu hören — nahe der Kreuzung. Ich schob mich schnell wieder auf meinen Sitz zurück, und dann sah ich auch schon die rote Glut auf der Straße rollen! Eine kurze Strecke nur — dann faßte die Bö zu, hob den Stummel auf und aufs Dach damit! Da war jemand auf der Straße, und ich sah ihn auch. Aber

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