Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuer um Mitternacht

Feuer um Mitternacht

Titel: Feuer um Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boy Lornsen
Vom Netzwerk:
machen; und dreimal würden wir Stacheldrahtzäune überklettern müssen, die den Strand absperrten.
    „In dieser Wasserecke gibt es wohl viele Plattfische“, versuchte er ein Gespräch anzufangen. „Schollen und so was.“ Eigentlich wollte ich ja nicht viel sprechen. Aber nun war von Fischen die Rede, und gerade davon wußte ich mehr als andere... Ich mußte ein paar Worte sagen.
    „In den Watten werden hauptsächlich Butt gefangen und recht gute Aale. Weiter draußen bei den Sänden auch Sandschollen, aber kleine Dinger. Die großen Schollen, die Zungen und Steinbutt werden vor der Westküste gefischt. Mit dem Grundschleppnetz und vom Kutter aus.“
    „Angelst du?“
    „Ja. Noch öfter fische ich — Aale und Butt. Im August auch Makrelen, wenn die Schwärme durch das Nordtief kommen.“
    „Ich angle auch“, sagte er: „Hechte, Karpfen und Aale in unseren Vereinsgewässern. Zweimal im Jahr fahre ich auf die Ostsee hinaus, um vom Boot aus Dorsche zu pilken. Natürlich besitze ich kein eigenes Boot — weißt du, ich fahre mit einer Angelgesellschaft im gemieteten Kutter.“
    Er schien mächtig an der Fischerei interessiert zu sein, nahm sogar die Hände aus den Taschen und zeichnete mir damit ein Pilklot in die Luft. Wollte er mich in Sicherheit wiegen, um mich dann plötzlich mit seinen Fragen zu überfallen? Ich hatte gelernt, daß sich Vorsicht und Mißtrauen bezahlt machten.
    Ich konnte es einfach nicht lassen — ich erzählte ihm trotzdem von meiner speziellen Aalfangmethode mit den Ofenrohren. Sein Erstaunen war bestimmt nicht geheuchelt. Er faßte mich aufgeregt am Ärmel an und ließ mich zweimal versichern, daß ihm da nichts vorgemacht wurde. Zugegeben, die Geschichte hörte sich reichlich märchenhaft an. „Sie können die Rohre sehen, wenn Sie mir nicht glauben“, sagte ich. „Sie liegen in unserem hölzernen Geräteschuppen. Ich habe sie in den letzten Septembertagen mit drei Bootsfuhren hereingeholt, damit sie mir nicht im Winter vom Eisgang kaputtgemacht werden.“ Daß ich es in diesem Jahr ungewöhnlich früh erledigte, weil mir andere Dinge wichtiger waren, sagte ich ihm nicht.
    Indessen waren wir ein gutes Stück vorangekommen, hatten schon einen Zaun überklettert, dessen Drähte wie schwarze Trauergirlanden aussahen, so dicht hatten die Sturmfluten sie mit Seetangfetzen behängt. Die Steilabhänge der beiden Kliffs rückten näher. Unser Tarrafaler Kliff fällt nicht so steil zum Wasser ab, und es ist mit Gras bewachsen: ein grünes Kliff! Das weiße Kliff besteht nur aus feinem Sand, der aus der Ferne wie ein Bettlaken leuchtet. Das rote schichtet sich aus eisenhaltigen Sandschichten auf, in denen man seltsame Gebilde finden kann, aus denen sich der Sandkern herausschütteln läßt, so daß eine rostrote, pockennarbige Kruste zurückbleibt. Anna Walter hatte dort ihr ganzes Leben lang Versteinerungen gesammelt: steinerne Äxte, Messer, Faustkeile, Pfeilspitzen. Jetzt liegen ihre Funde im Heimatmuseum von Tarrafal und werden von den Gästen betrachtet — wenn es draußen gerade regnet... Noch hatten wir kein Wort über die andere Sache gesprochen.
    Er hatte wohl meine Gedanken erraten.
    „Ich habe mich gestern noch einmal mit Frau Steenkamp unterhalten, Markus. Sie hat mir einiges berichtet — mit deiner Einwilligung, sagte sie. Nun muß ich es von dir selber hören.“
    Ich konnte mir denken, was Tante Lene ihm erzählt hatte und was nicht.
    „Dieser verschwundene Wetterhahn, der abgesägte Birnbaum... Das waren doch deine Streiche?“
    „Ja.
    „Du hast es wohl sehr geschickt angestellt?“
    „Ja.“
    „Trotzdem reden die Leute über dich. Hat dich mal einer erwischt?
    „Nein.“
    „Oder vielleicht gesehen, ohne daß du davon weißt?“
    „Glaub ich nicht. Dann hätten sie mir Jumbo auf den Hals gehetzt.“
    „Jumbo...?“
    „Polizist Tackert. Wir nennen ihn so.“
    „Ach so.“ Er lächelte flüchtig, und wir stiegen über den zweiten Girlandenzaun.
    „Und diese roten Hähne? Die kommen doch auch auf dein Konto?“
    „Ja.“
    „Damit hast du nicht nur anderen, sondern auch mir einige Rätsel aufgegeben. Manches ist mir immer noch nicht klar. Zwei verschiedene Hähne... Warum? Und keine Fingerabdrücke auf den Karten... Davon mußt du mir ausführlich berichten.“
    Bisher war ich mit Ja und Nein ausgekommen. Jetzt mußte ich mehr Worte machen. Gib ihm keinen Hinweis auf Sylvie! ermahnte ich mich selber. Halte dich genau an das, was du dir gestern nacht

Weitere Kostenlose Bücher