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Feuer und Glas - Der Pakt

Feuer und Glas - Der Pakt

Titel: Feuer und Glas - Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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gilt auch für dich«, sagte Marin. »Deine stattliche Statur fällt zu sehr auf. Nein, wir bräuchten jemanden Unauffälligen, jemanden, der in der Menge untergeht …«
    »… wie ein Mädchen aus dem Volk?«, fragte Alisar. »Eine echte Venezianerin, die ihren Korb spazieren trägt?«
    Alle Augen flogen zu ihr.
    Im Türrahmen stand nicht wie gewohnt eine orientalische Schönheit in raschelnder Seide, sondern eine junge Frau mit dicken, dunklen Zöpfen. Sie trug ein einfaches blaues Mieder, einen ausgefransten Leinenrock und Holzpantinen. In der Hand hielt sie einen Strohhut, den sie sich nun auf den Kopf schob.
    »Die Augen halte ich keusch gesenkt«, sagte sie. »Dann bleibt ihre Farbe verborgen. Der Hut wird ein Übriges tun. Sagt selbst – wer von den Feuerleuten sollte mich so erkennen?«
    Milla überlief es kalt.
    Ganesh hatte sie vom ersten Augenblick an gemocht; Nikos seit ihrer Aufnahme ins Haus zu mögen gelernt. Marin respektierte sie von Grund auf und Luca …
    Aber Alisar?
    »Warum solltest ausgerechnet du das tun?«, fragte sie.
    Als stände sie auf einer Bühne, drehte sich Alisar langsam einmal um die eigene Achse.
    »Siehst du hier sonst irgendjemanden, der sich dafür anbieten würde?«, fragte sie.
    Wie könnte ich dir trauen?, wollte Milla rufen. Du magst mich nicht, weil du Angst hast, ich könnte dir Luca stehlen, und auch du bist mir unheimlich. Die Zeilen meines Vaters sind das Kostbarste, das ich besitze. Lieber würde ich sie verbrennen, als sie in die falschen Hände zu geben!
    Doch sie blieb stumm.
    Alisars fein gezeichnete Brauen zogen sich zusammen.
    Ahnte sie, was in Milla vorging?
    Hilfesuchend schaute Milla zu Ysa. Ohne die Feuerlocken ähnelte sie ihrem Bruder sogar noch mehr. Plötzlich glaubte sie ihren verschwundenen Vater zu hören.
    »Wach auf, Milla – jetzt geht es um alles oder nichts! Das geschlagene Venedig steht am Abgrund. Nur ein Wunder, eine vollständige Umkehr kann noch Rettung bringen. Feuer und Wasser müssen sich neu verbünden. Ohne Pakt keine Umkehr. Und ohne Gondel kein Pakt. Entscheide dich. Es liegt allein bei dir!«
    Alisar streckte ihr die Hand entgegen, als könnte sie erneut ihre Gedanken lesen, mit ernster Miene und ohne eine Spur ihres üblichen Lächelns.
    Milla zögerte. Dann schlug sie ein.
    Es war nach Mitternacht, als die lichtblaue Gondel an der Mole von San Marco anlegte. Milla sprang heraus, während Luca ihr Öllampe und Schaufel reichte.
    »Du willst noch immer nicht, dass ich dich begleite?«, fragte er.
    »Mein Vater wollte, dass ich die Gondel finde«, erwiderte sie. »Den letzten Schritt muss ich allein gehen.«
    Die Piazetta war menschenleer. Wie riesige Pfähle ragten die Säulen der beiden Stadtheiligen in den sternenlosen Himmel. Zwischen ihnen war es stockdunkel.
    Milla ging rasch auf die beiden Säulen zu und versuchte, sich in Erinnerung zu rufen, was Ysa ihr eingeschärft hatte.
    »Auf der einen Säule befindet sich San Marco, der geflügelte Löwe, Patron Venedigs und spezieller Schutzherr der Feuerleute. Auf der anderen San Teodoro auf einem Krokodil. Steht die Sonne im Zenit, fällt der Schatten des Löwenschwanzes auf den der Krokodilschnauze. Dann scheinen sie sich zu berühren. ›Nur Feuer und Wasser gemeinsam ergeben ein Ganzes‹ : Wenn ich Leandros Brief richtig verstanden habe, muss die Gondel genau an dieser Stelle vergraben sein.«
    Milla hielt die Öllampe über den Boden und sah – nichts.
    Wäre sie doch nur an Alisars Stelle im Hellen hier gewesen! Vielleicht hatte ja jemand ihre Markierungen absichtlich entfernt. Oder sie aus Versehen übertrampelt. Vielleicht aber war Alisar auch nicht gründlich genug gewesen …
    Milla schlüpfte aus ihren Pantinen. Vielleicht waren ihre nackten Sohlen im Dunklen schlauer als ihre Augen.
    Der Boden war kühl und uneben, erinnerte eher an ein Feld als an einen städtischen Platz. Sie bewegte sich langsam voran, versuchte jede Erhebung, jeden Stein zu erspüren.
    Plötzlich blieb sie stehen.
    Da war etwas unter ihrer Sohle. Sie tastete weiter. Es fühlte sich an wie ein … Kreuz.
    Millas Herz tat einen Hüpfer. Alisar hatte ein kleines Steinkreuz beschrieben, das sie unter die Erde geschoben hatte.
    »Ja«, flüsterte Milla. »Hier könnte es sein!«
    Sie stellte das Lämpchen auf den Boden und kniete sich daneben. Schnell hatten ihre Hände die oberste Schicht abgetragen – da war es: Alisars Steinkreuz, das sie für sie hinterlassen hatte!
    Nur Wasser und Feuer gemeinsam

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