Feuer und Glas - Der Pakt
Einerseits fühlte sich Milla davon belästigt, anderseits schmeichelte es ihr wider Willen. Als sie an seinen Tisch kam, um die Bestellung aufzunehmen, schaute sie an ihm halb vorbei, damit er bloß nicht auf dumme Gedanken verfiel.
»Ich hoffe, du hast nicht wieder eine Blume dabei«, sagte sie scheinbar leichthin, um davon abzulenken, dass sie auf einmal nicht mehr wusste, wohin sie mit ihren flatternden Händen sollte.
»Nein«, erwiderte er ruhig. »Heute nicht.«
»Das hätte dir auch nichts genützt.« Wieso nagte plötzlich die Enttäuschung an Milla? Sie wollte doch gar nichts von diesem aufgeblasenen Kerl!
»Was ist los, Milla?«, hörte sie ihn plötzlich sagen. »Hat man dir wehgetan?«
Schon der Zweite heute, der sie das fragte! Sah man ihr so deutlich an, wie jämmerlich ihr zumute war?
»Kümmere dich lieber um dich selbst«, erwiderte sie. »Was willst du essen? Große Auswahl haben wir heute allerdings nicht …«
»Hattet ihr einen schönen Vormittag?«, fragte plötzlich Ysa neben ihr. »Ich kann Euch doch wohl vertrauen, Messèr Bellino, wenn es um meine Nichte geht!«
Marco zögerte nur einen Lidschlag.
»Er hätte kaum schöner sein können«, sagte er. »Wir müssen das bald wiederholen!«
Am liebsten hätte Milla ihm unter dem Tisch kräftig gegen das Schienbein getreten, doch da Ysa keinerlei Anstalten machte zu gehen, blieb ihr nichts anders übrig, als stillzuhalten und ein halbwegs freundliches Gesicht aufzusetzen.
»Wir sollten uns ganz bald einmal über Eure Familie unterhalten«, fuhr Ysa fort. »Für meine Schwägerin und mich ist es wichtig zu wissen, woher jemand stammt.«
»Da habt Ihr natürlich recht.« Seine Stimme klang plötzlich ganz rau. »Ich fürchte nur, in dieser Hinsicht kann ich leider nicht allzu viel bieten.«
Ysa wie auch Milla starrten ihn neugierig an.
»Ich bin Waise, schon seit vielen Jahren, im Kloster groß geworden. Und hätte nicht ein entfernter …« Er hüstelte, als sei ihm plötzlich etwas in die Kehle geraten. »… äußerst großzügiger Verwandter mich dort vor ein paar Jahren herausgeholt, so wäre ich heute sicherlich ein frommer Mönch.«
»Die Fische sind so weit. Milla! Ysa – wo steckt ihr?«, hörte man Savinia gereizt rufen. »Soll ich jetzt vielleicht auch noch das Servieren übernehmen?«
»Aber Ihr gehört doch auf jeden Fall …« Ysa verstummte.
»Spürt Ihr das nicht?« Marco lachte. »Ihr seid doch aus dem gleichen Holz geschnitzt! Feurig ist das Blut, das in meinen Adern fließt. Feurig, wie meine Liebe zu dieser einmaligen Stadt, für die ich jederzeit mein Leben geben würde.«
Da war sie wieder, diese seltsame Anziehung, die sie sich nicht erklären konnte! Milla wollte sich mit aller Kraft dagegen wehren, aber es gelang ihr nicht. Marco war ihr so vertraut, als wären sie zwei Teile eines Ganzen, die zueinander strebten. Sie war nicht in ihn verliebt, sie mochte ihn nicht einmal – und doch war es, als gehörten sie auf geheimnisvolle Weise zusammen.
Wortlos stürzte sie davon und gab sich Mühe, den Rest des Abends Marcos Tisch tunlichst zu meiden. Irgendwann war er verschwunden, ohne eine Blume zurückzulassen, wie sie mit plötzlichem Bedauern registrierte.
Als Milla schließlich in den Hof ging, um die Katzen mit Fischabfällen zu verwöhnen, trat er plötzlich neben sie.
»Was willst du?«, fragte sie. »Sie werden uns noch erwischen – und dann geht das Gerede erst richtig los!«
»Vielleicht sagst du mir beim nächsten Mal rechtzeitig, wo und wann wir uns getroffen haben.« Seine Stimme klang gelassen, fast ein wenig amüsiert. »Ich wusste ja gar nicht, dass du so gut lügen kannst.«
»Ich habe nicht gelogen! Meine Tante ist ganz von allein auf diese Idee verfallen. Außerdem wird es ohnehin nie wieder vorkommen.«
»Für wen sollte ich eigentlich dein Alibi spielen?« Plötzlich war er ganz nah neben ihr. »Doch nicht etwa für jenen arroganten schwarzen Kerl in seiner blauen Gondel? Das kann nicht dein Ernst sein! Von diesen Wasserleuten hast du nichts Gutes zu erwarten. Ich habe dich doch schon einmal gewarnt. Warum willst du nicht auf mich hören?«
»Weil es dich nichts angeht«, fuhr Milla ihn an. »Du kennst sie ja nicht einmal! Außerdem weißt du mehr über meinen Vater. Dir glaube ich schon gar nichts mehr!«
»Und ob ich sie kenne! Außerdem solltest du dir über eins klar sein: Mit einem Marco Bellino spielt man nicht, nicht einmal, wenn man so aufregende grüne Augen hat wie du.
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