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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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fragte Jamie. »Oder ist das nur für die Zeiten, wo das Wild knapp ist?« Munro nickte heftig.
    »Was sind das für Bleistücke?« fragte ich interessiert.
    »Gaberlunzies.«
    »Klar«, sagte ich. »Entschuldige bitte, daß ich gefragt habe.«
    »Eine Gaberlunzie ist eine Lizenz zum Betteln, Sassenach«, erklärte Jamie. »Sie gilt innerhalb der Grenzen einer Gemeinde und nur an dem einen Wochentag, an dem Betteln gestattet ist. Jede Gemeinde hat ihr eigenes Siegel, und so können die Bettler aus einem
Ort keinen allzu großen Vorteil aus der Mildtätigkeit des Nachbarorts schlagen.«
    »Mir scheint, das System ist dehnbar«, sagte ich, mit einem Blick auf Munros vier Siegel.
    »Nun, Munro ist ein Sonderfall. Geriet auf See in türkische Gefangenschaft, verbrachte einige Jahre auf der Ruderbank einer Galeere, dann wurde er Sklave in Algier. Dort hat er seine Zunge verloren.«
    »Man… man hat sie ihm herausgeschnitten?« Mir schwindelte.
    Die Vorstellung beunruhigte Jamie offenbar nicht weiter, aber er kannte Munro auch schon einige Zeit.
    »Aye. Und das Bein hat man ihm außerdem gebrochen. Das Kreuz auch, Munro? Nein«, sagte Jamie auf etliche Zeichen von Munro hin, »das mit dem Kreuz war ein Unfall. Es geschah, als er in Alexandria von einer Mauer sprang. Aber die Füße - das war das Werk der Türken.«
    Ich wollte es eigentlich nicht wissen, doch Munro und Jamie brannten sichtlich darauf, es mir zu erzählen. »Na schön«, sagte ich ergeben. »Was ist mit seinen Füßen passiert?«
    Mir einer Regung, die an Stolz grenzte, zog Munro sich die ramponierten Holzpantinen und die Strümpfe aus und zeigte breite Füße, deren Haut verdickt und rauh war; weiße, schimmernde Flecke wechselten sich mit feuerroten Stellen ab.
    »Siedendes Öl«, erklärte Jamie. »So zwingen sie gefangene Christen, zum muselmanischen Glauben überzutreten.«
    »Sieht mir nach einem sehr wirksamen Mittel aus«, sagte ich schaudernd. »Und deshalb erlauben ihm mehrere Gemeinden das Betteln? Als Ausgleich für seine Leiden um den christlichen Glauben?«
    »Richtig.« Jamie schien erfreut darüber, wie schnell ich die Lage erfaßte. Munro bekundete seine Bewunderung mit einem weiteren tiefen Salam, gefolgt von einer Reihe sehr ausdrucksvoller, wenn auch ungehöriger Handbewegungen, die mein Äußeres preisen sollten.
    »Danke. Ja, ich glaube auch, daß sie mir Ehre machen wird.« Jamie wandte sich, als er meine hochgezogenen Augenbrauen sah, taktvoll Munro zu, so daß sein Rücken mir zugekehrt war und die fliegenden Finger seines Freundes dahinter verschwanden. »Jetzt sag mir noch, was sich auf den Dörfern tut.«

    Die beiden Männer rückten näher zueinander und setzten ihr einseitiges Gespräch mit gesteigerter Intensität fort. Da sich Jamies Part hauptsächlich auf Knurrlaute und interessierte Ausrufe beschränkte, erfaßte ich wenig vom Inhalt und beschäftigte mich damit, die seltsamen kleinen Pflanzen zu betrachten, die ringsum aus dem Gestein sprossen.
    Ich hatte eine Tasche voller Augentrost und Diptam gesammelt, als die Männer ihre Unterhaltung beendeten und Hugh Munro sich erhob, um zu gehen. Mit einer letzten Verbeugung vor mir und einem letzten Schlag auf Jamies Rücken schlurfte er zum Rande des Felsens und verschwand so rasch, wie eines der Kaninchen, die er wilderte, in seinem Bau untertauchen mochte.
    »Was hast du für faszinierende Freunde«, sagte ich.
    »Aye. Hugh ist ein netter Bursche. Ich war voriges Jahr mit ihm und einigen anderen auf der Jagd. Da er jetzt offiziell als Bettler anerkannt ist, ist er auf sich gestellt, doch seine Arbeit bringt es mit sich, daß er von Ort zu Ort zieht; er weiß alles, was sich zwischen Ardagh und Chesthill ereignet.«
    »Horrocks’ Aufenthaltsort eingeschlossen?« vermutete ich.
    Jamie nickte. »Richtig. Und er wird ihm etwas von mir ausrichten - daß wir unseren Treffpunkt ändern.«
    »Womit Dougal fein säuberlich hinters Licht geführt wird«, bemerkte ich. »Falls er vorhatte, ein kleines Lösegeld für Horrocks von dir zu erpressen.«
    Jamie nickte erneut, und ein Lächeln kräuselte seine Mundwinkel.
    »Das stimmt.«
     
    Kurz vor dem Abendessen kehrten wir zum Gasthof zurück. Diesmal standen Dougals großer Rappen und die anderen fünf Pferde vor dem Gebäude und futterten zufrieden Heu.
    Dougal selbst war drinnen und benetzte sich die staubige Kehle mit Bier. Er nickte mir zu; dann drehte er sich zur Begrüßung seines Neffen um. Statt etwas zu sagen, saß er jedoch

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