Feuer Und Stein
wie eine Kürbislaterne, und auch die Form glich einem Kürbis. Dieser Eindruck wurde noch verstärkt durch die orangebraune, ledrige Haut, die nicht nur das Gesicht überzog, sondern auch den kahlen, runden Schädel. Wenige Kürbisse jedoch konnten sich eines so üppigen Bartwuchses und eines solch hellblauen Augenpaars rühmen. Wurstfinger mit schmutzigen Nägeln schoben sich unter den Bart und hievten rasch den Rest der Laterne empor.
Der Körper paßte zum Kopf; er hatte entschieden etwas Koboldhaftes. Die Schultern waren sehr breit, aber hochgezogen und
schief, wobei die eine beträchtlich höher war als die andere. Auch schien das eine Bein zu kurz geraten, was dem Mann einen hinkenden, hoppelnden Gang verlieh.
Munro, wenn er’s denn wirklich war, hatte, so schien es, mehrere Schichten Fetzen am Leib; die verblaßten Farben von beerengefärbten Stoffen lugten durch die Risse eines unförmigen Gewands, das früher ein Frauenkittel gewesen sein mochte.
Er trug keine Felltasche am Gürtel - der ohnehin nichts weiter als ein zerfaserter Strick war, an dem kopfunter zwei pelzige Kadaver hingen. Statt dessen hatte er sich eine dicke Lederbörse quer über die Brust geschnallt. Am Riemen der Börse baumelte eine Sammlung von Kleinmetall; religiöse Plaketten, militärische Orden, alte Uniformknöpfe, abgegriffene Münzen und drei bis vier Rechtecke aus Blei, in die rätselhafte Zeichen eingeritzt waren.
Jamie erhob sich, als der andere hurtig näherhopste, und dann umarmten sich die beiden und schlugen einander nach Männerart auf den Rücken.
»Wie geht es dem Hause Munro?« fragte Jamie, als er zurücktrat und seinen alten Freund betrachtete.
Munro senkte den Kopf und grinste, wobei er ein merkwürdig kollerndes Geräusch von sich gab. Dann zog er die Augenbrauen hoch, nickte in meine Richtung und machte mit seinen Wurstfingern eine grazil fragende Geste.
»Meine Frau«, sagte Jamie und errötete leicht vor Stolz und Verlegenheit. »Wir sind gerade zwei Tage verheiratet.«
Munro grinste noch breiter und vollführte eine bemerkenswert perfekte und komplizierte Verbeugung, zu der eine rasche Berührung von Kopf, Herz und Lippen gehörte und die in einer halben Niederwerfung mir zu Füßen endete. Nach diesem verblüffenden Manöver sprang er mit der Anmut eines Akrobaten auf und schlug Jamie wieder auf den Rücken; diesmal war es offenbar als Glückwunsch gemeint.
Dann begann Munro mit einem spektakulären Ballett seiner Hände, deutete auf sich, zum Wald hinab, auf mich und erneut auf sich, mit einer solchen Fülle von Gesten und Bewegungen, daß ich kaum folgen konnte. Ich hatte Taubstumme schon sprechen gesehen, aber noch nie so schnell und elegant.
»Tatsächlich?« rief Jamie. Nun war es an ihm, dem anderen gratulierend auf die Schulter zu klopfen. Kein Wunder, daß manche
Männer schmerzunempfindlich werden, dachte ich. Das kommt von dieser Angewohnheit, einander ständig auf den Rücken zu hauen.
Jamie wandte sich zu mir und erklärte: »Er ist auch verheiratet. Seit einem halben Jahr, mit einer Witwe - nun gut, mit einer dicken Witwe«, fügte Jamie in Erwiderung einer nachdrücklichen Gebärde von Munro hinzu. »Sie hat sechs Kinder, und sie alle wohnen unten im Dorf - es heißt Dubhlairn.«
»Wie schön«, sagte ich höflich. »Es sieht zumindest so aus, als bekämen sie gut zu essen.« Ich zeigte auf die Kaninchen, die an Munros Gürtel hingen.
Munro band sofort eines los und reichte es mir mit einem solchen Ausdruck strahlenden Wohlwollens, daß ich mich verpflichtet fühlte, es anzunehmen. Ich erwiderte sein Lächeln und hoffte insgeheim, daß auf dem Tier keine Flöhe nisteten.
»Ein Hochzeitsgeschenk«, sagte Jamie. »Es ist uns hochwillkommen, Munro. Du mußt gestatten, daß wir uns erkenntlich zeigen.« Womit er eine der Bierflaschen aus dem Moos nahm und sie seinem Freund gab.
Nachdem auf diese Weise der Höflichkeit Genüge getan war, setzten wir uns, um uns die dritte Flasche zu teilen. Jamie und Munro tauschten Neuigkeiten und allerlei Klatsch aus. Ihr Plausch wurde dadurch, daß nur einer von ihnen im eigentlichen Sinne redete, nicht im mindesten beeinträchtigt.
Ich beteiligte mich kaum an dem Gespräch, da ich Munros Gesten nicht deuten konnte, obwohl Jamie sein Bestes tat, um mich einzubeziehen, indem er übersetzte.
An einem Punkt wies Jamie mit dem Daumen auf die rechteckigen Bleistücke, die den Riemen von Munros Börse zierten.
»Jetzt bist du’s von Amts wegen, ja?«
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