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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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genau das tat. Er beobachtete den Vogel eine kleine Weile.
    »Regenpfeifer haben die Seele von jungen Müttern, die bei der Geburt eines Kindes gestorben sind«, fuhr er fort. Er sah mich scheu an. »Es heißt, sie schreien und laufen um ihre Nester herum, weil sie nicht glauben können, daß ihre Jungen sicher ausgebrütet sind; sie trauern immer um das verlorene Kind oder schauen nach einem verwaisten.« Jamie starrte über das stille Wasser des Teiches hin.
    »Ist wohl nur eine Angewohnheit«, sagte Jamie. »Ich habe es zum
ersten Mal getan, als ich sehr viel jünger war und die Geschichte zum ersten Mal hörte. Selbst damals habe ich natürlich nicht wirklich geglaubt, daß Regenpfeifer eine Seele haben, aber als kleine Zeichen der Achtung…« Jamie blickte zu mir auf und lächelte plötzlich. »Hab’s jetzt so oft getan, daß es mir gar nicht mehr auffällt. Es gibt viele Regenpfeifer in Schottland.« Er erhob sich. »Gehen wir weiter; bei der Hügelkuppe dort drüben ist eine Stelle, die ich dir zeigen will.« Jamie faßte meinen Ellbogen, um mir aus der Senke zu helfen, und wir machten uns auf den Weg hangaufwärts.
    Ich hatte verstanden, was er zu dem Regenpfeifer gesagt hatte. Obwohl ich nur ein paar Worte Gälisch konnte, hatte ich den alten Gruß oft genug gehört, um mit ihm vertraut zu sein: »Gott mit dir, Mutter.«
    Eine junge Mutter, die bei einer Geburt gestorben war. Und ein verwaistes Kind. Ich berührte Jamies Arm, und er schaute zu mir herab.
    »Wie alt warst du?« fragte ich.
    Er betrachtete mich mit der Andeutung eines Lächelns. »Acht«, antwortete er. »Immerhin entwöhnt.«
    Er sagte nichts mehr, sondern führte mich weiter nach oben. Die Hügel um uns waren sanft gewellt und dicht mit Heide bewachsen. Ein Stück weiter änderte sich die Landschaft abrupt; große Granitbuckel ragten aus der Erde empor, umgeben von Bergahorn und Lärchen. Wir kamen über die Hügelkuppe und ließen die Regenpfeifer, die an den Teichen riefen, hinter uns.
     
    Die Sonne brannte vom Himmel herab, und nach einer Stunde brauchte ich eine Rast. Wir fanden ein angenehm schattiges Plätzchen am Fuße eines jener Granitbuckel. Jamie sagte mir, wir seien allein, denn ringsum sängen Vögel. Wenn jemand in die Nähe käme, verstummten die meisten; die Eichelhäher und Dohlen schlugen freilich Alarm.
    »Bist du im Wald, dann versteck dich, Sassenach«, riet Jamie. »Wenn du dich nicht zu ungestüm bewegst, sagen die Vögel dir rechtzeitig, ob jemand kommt.«
    Jamie hatte auf einen keckernden Eichelhäher im Baum über uns gewiesen, und als er die Augen von ihm abwandte, begegneten sich unsere Blicke. Wir saßen wie erstarrt, nicht einmal auf Armeslänge voneinander entfernt, doch wir berührten uns nicht und
atmeten kaum. Nach einer Weile langweilte sich der Eichelhäher und flog davon. Es war Jamie, der zuerst fortsah, mit kaum merklichem Schaudern, als wäre ihm kalt.
    Unter dem Farn spitzten Pilzkappen weißlich durch den Humusboden. Jamie schnippte eine vom Stengel und zog, während er nach Worten suchte, die Lamellen nach. Wenn er so sorgfältig sprach wie jetzt, verlor er fast seinen leichten schottischen Akzent.
    »Ich möchte nicht… das heißt… ich will nicht behaupten…« Er blickte plötzlich auf und lächelte hilflos. »Ich möchte dich nicht beleidigen, auch wenn es jetzt so klingt, als glaubte ich, du hättest ungeheuer viel Erfahrung mit Männern. Aber es wäre töricht vorzugeben, daß du nicht mehr weißt von solchen Dingen als ich. Was ich fragen will… ist das üblich? Ich meine, so, wie es zwischen uns ist, wenn ich dich berühre, wenn du… bei mir liegst? Ist es immer so zwischen Mann und Frau?«
    Trotz seiner Schwierigkeiten wußte ich genau, was Jamie meinte. Sein Blick war direkt, und er sah mir unverwandt in die Augen, während er auf meine Antwort wartete. Ich wollte wegschauen, doch ich konnte nicht.
    »So etwas…«, begann ich und mußte innehalten und mich räuspern. »Nein. Nein, es ist nicht… üblich. Ich weiß nicht, warum, aber es ist nun einmal so. Zwischen uns… ist es anders.«
    Jamie entspannte sich ein wenig, als hätte ich etwas bestätigt, was ihm wichtig war.
    »Ich habe mir schon gedacht, daß es nicht üblich ist. Ich habe zuvor noch bei keiner Frau gelegen, aber ich … äh, ich habe einige berührt.« Jamie lächelte schüchtern und schüttelte den Kopf. »Es war nicht dasselbe. Ich meine, ich habe Frauen in den Armen gehalten und geküßt und… nun ja.« Er

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