Feuer Und Stein
Vikare, dann und wann ein Buchhändler, damit es
nicht gar zu eintönig wird, und nachweisbar nur ab 1762. Ziemlich schlechte Dokumentation«, sagte er und schüttelte bedauernd den Kopf über die Faulheit seiner Vorfahren.
Es war spät, als wir das Pfarrhaus verließen. Reverend Wakefield hatte noch versprochen, die Briefe gleich morgen zum Kopieren in die Stadt mitzunehmen, und Frank plapperte den größten Teil unseres Heimwegs glückselig von Spitzeln und Jakobiten. Dann fiel ihm auf, daß ich sehr still war.
»Was ist, Liebste?« fragte er und faßte fürsorglich meinen Arm. »Fühlst du dich nicht wohl?« Es klang halb besorgt, halb hoffnungsvoll.
»Nein, es geht mir gut. Ich habe nur …« - ich zögerte, weil wir über dieses Thema schon einige Male gesprochen hatten, - »ich habe nur an Roger gedacht.«
»An Roger?«
Ich seufzte ungeduldig. »Wirklich, Frank! Du kannst so … unaufmerksam sein! Roger, der Sohn von Reverend Wakefield.«
»Ach so. Ja, natürlich«, sagte Frank vage. »Nettes Kind. Was ist mit ihm?«
»Nun … es gibt viele Kinder wie ihn. Waisenkinder, du verstehst schon.«
Frank betrachtete mich mit scharfem Blick und schüttelte den Kopf.
»Nein, Claire. Ich habe dir bereits gesagt, wie ich zu einer Adoption stehe. Ich … ich könnte so einem Kind gegenüber keine richtigen Gefühle entwickeln, einem Kind, das … nun, das nicht mein eigenes Fleisch und Blut ist. Was zweifellos lächerlich und egoistisch ist, aber so ist es nun mal. Vielleicht überlege ich mir das irgendwann noch anders, aber im Moment…« Wir gingen ein paar Schritte in angespanntem Schweigen. Plötzlich blieb Frank stehen, wandte sich mir zu und faßte meine Hände.
»Claire«, sagte er mit belegter Stimme, »ich möchte, daß wir ein Kind haben. Du bist für mich das Wichtigste auf der Welt. Ich möchte vor allem, daß du glücklich bist, aber ich möchte auch… nun, ich möchte dich auch für mich behalten. Ich fürchte, ein Kind von außen, ein Kind, mit dem wir nicht richtig verwandt sind, käme mir wie ein Eindringling vor, und ich würde es ablehnen. Aber wenn ich dir ein Kind geben, es in dir wachsen sehen, miterleben könnte, wie es geboren wird … dann hätte ich vielleicht das
Gefühl, es sei eine … Erweiterung von dir. Und mir. Ein wirklicher Teil der Familie.« Franks Augen waren groß und flehend.
»Ja, gut. Ich verstehe.« Ich war bereit, das Thema fallenzulassen - einstweilen. Ich wandte mich ab, wollte weitergehen, aber Frank streckte die Hand aus und nahm mich in seine Arme.
»Claire. Ich liebe dich.« In seiner Stimme war eine ungeheure Zärtlichkeit, und ich legte den Kopf an seine Jacke, spürte seine Wärme und die Kraft seiner Arme.
»Ich liebe dich auch.« Wir standen einen Moment aneinandergeschmiegt da und schwankten leicht im Wind, der die Straße entlangfegte. Plötzlich löste sich Frank von mir und lächelte mich an.
»Außerdem«, sagte er leise und strich mir die zerzausten Haare aus dem Gesicht, »außerdem haben wir doch noch nicht aufgegeben, oder?«
Ich erwiderte sein Lächeln. »Nein.«
Er nahm meine Hand und schob sie unter seinen Ellenbogen. Wir machten uns auf zu unserem Quartier.
»Bist du zu einem weiteren Versuch bereit?«
»Ja. Warum nicht?« Wir spazierten Hand in Hand zur Gereside Road. Erst der Baragh Mhor, der piktische Stein an der Straßenecke, erinnerte mich an Altertümer.
»Ich habe es ganz vergessen!« rief ich. »Ich muß dir etwas Spannendes zeigen.« Frank blickte auf mich herunter und zog mich näher an sich, drückte meine Hand.
»Ich dir auch«, sagte er lächelnd. »Du kannst mir das deine morgen zeigen.«
Doch am nächsten Tag hatten wir etwas anderes zu tun. Ich hatte vergessen, daß eine Tour zum Great Glen und Loch Ness auf dem Programm stand.
Die Fahrt durch das Glen war lang, daher brachen wir früh am Morgen auf, vor Sonnenaufgang. Nachdem wir durch die kalte Dämmerung zum wartenden Auto gehastet waren, fand ich es gemütlich, mich unter einer Wolldecke zu entspannen und zu spüren, wie die Wärme in meine Hände und Füße zurückkehrte. Damit verbunden war eine wohlige Mattigkeit, und ich schlummerte zufrieden an Franks Schulter ein - mein letzter Blick fiel auf den Kopf des Fahrers, eine rotgeränderte Silhouette vor dem heller werdenden Himmel.
Es war nach neun, als wir ankamen, und der Fremdenführer, den Frank bestellt hatte, wartete am Ufer des Sees mit einem kleinen Segelboot auf uns.
»Wenn’s Ihnen recht ist,
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