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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Sir, ich habe mir gedacht, wir machen eine Fahrt über den Loch zum Urquhart Castle. Vielleicht essen wir da einen Bissen, bevor es weitergeht.« Der Fremdenführer, der ein abgetragenes Baumwollhemd und eine Köperhose trug, war klein und wirkte mürrisch. Er verstaute den Picknickkorb ordentlich unter dem Sitz und half mir mit schwieliger Hand ins Boot.
    Der Tag war schön, und das sprießende Grün an den steilen Ufern spiegelte sich verschwommen auf der gekräuselten Oberfläche des Sees. Unser Fremdenführer war, unbeschadet seines mürrischen Aussehens, wohlinformiert und gesprächig und wies uns auf die Burgen und Ruinen hin, die den langen, schmalen Loch säumten.
    »Da drüben ist Urquhart.« Er deutete auf eine Wand aus Stein, die kaum zu sehen war hinter den Bäumen. »Oder das, was davon übrig geblieben ist. Die Hexen vom Glen haben die Burg verflucht, und seither gab’s dort ein Unglück nach dem andern.«
    Dann erzählte uns der Fremdenführer die Geschichte von Mary Grant, der Tochter des Burgherrn von Urquhart, und ihrem Geliebten Donald Donn, Dichter und Sohn des MacDonald von Bohuntin. Obwohl Marys Vater seiner Tochter verboten hatte, Donald wiederzusehen, da er dessen Gewohnheit mißbilligte, alles Vieh zu stehlen, das ihm über den Weg lief (ein altes und durchaus ehrbares Gewerbe im schottischen Hochland, wie uns der Fremdenführer versicherte), trafen sich die beiden weiterhin. Marys Vater bekam Wind davon, und Donald wurde zu einem vorgetäuschten Rendezvous gelockt und gefangengenommen. Zum Tode verurteilt, ersuchte er darum, nicht wie ein Verbrecher gehenkt, sondern wie ein Mann von Stand geköpft zu werden. Diese Bitte wurde ihm gewährt, und als man Donald zum Richtblock führte, sagte er immer wieder: »Der Teufel soll den Herrn von Grant holen, und Donald Donn wird nicht aufgeknüpft.« Die Sage weiß zu vermelden, daß sein abgeschlagenes Haupt sprach, als es vom Richtblock rollte. Es sagte: »Mary, heb du meinen Kopf auf.«
    Ich schauderte, und Frank legte den Arm um mich. »Ein Fragment von einem der Gedichte Donald Donns ist erhalten geblieben«, sagte er ruhig. »Es lautet:
    Morgen bin ich auf einem Berg, ohne Haupt.
Habt ihr kein Erbarmen mit meinem bekümmerten Mädchen,
Mit meiner Mary, so schön und so sanften Auges?«
Ich nahm Franks Hand und drückte sie leicht.
    Geschichte folgte auf Geschichte, und da eine jede von Verrat, Mord und Gewalt handelte, schien es, als hätte sich Loch Ness seinen finsteren Ruf vollauf verdient.
    Ich starrte über die Bootswand in die trüben Tiefen. »Und das Ungeheuer?« fragte ich. Es paßte in diese Umgebung.
    Der Fremdenführer zog die Schultern hoch und spuckte ins Wasser.
    »Der Loch ist seltsam, das steht fest. Es gibt auch Geschichten von einem uralten und bösen Ding, das einst in den Tiefen gehaust hat. Die Leute haben ihm Opfer gebracht, Kühe, und manchmal sogar kleine Kinder.« Der Fremdenführer spuckte wieder aus. »Manche behaupten, der Loch wäre bodenlos, hat einen Schacht in der Mitte, der tiefer ist als alles sonst in Schottland. Andererseits …« - um die Augen des Fremdenführers zogen noch ein paar mehr Runzeln auf -, »war vor ein paar Jahren eine Familie aus Lancashire hier, und die rannten in Invermoriston zur Polizei und schrien, sie hätten gesehen, wie das Ungeheuer aus dem Wasser gekommen wäre und sich im Farn versteckt hätte. Ein schreckliches Geschöpf, sagten sie, mit roten Haaren und fürchterlichen Hörnern, und es hätte was gekaut, und das Blut wäre ihm nur so vom Maul getropft.« Der Fremdenführer hob die Hand und gebot meinem entsetzten Aufschrei Einhalt.
    »Sie schickten einen Polizisten, und als der wiederkam, sagte der, außer dem tropfenden Blut wäre es die genaue Beschreibung von einem …« - der Fremdenführer machte eine Kunstpause -, »schönen Hochlandrind gewesen, das im Farn sein Futter wiederkäut.«
    Wir segelten den halben See ab, bevor wir an Land gingen und ein spätes Mittagessen zu uns nahmen. Dann wurden wir vom Auto abgeholt und fuhren durch das Glen zurück, wobei wir nichts Unheimlicheres sahen als einen Fuchs auf der Straße, der, während wir um eine Kurve bogen, erschrocken aufblickte, irgendein kleines, formloses Tier zwischen den Fängen. Er sprang zur Seite und sauste flink wie ein Schatten den Hang hinauf.
    Es war sehr spät, als wir schließlich Mrs. Bairds Gartenweg entlangtaumelten,
aber wir hielten uns auf der Schwelle umschlungen, während Frank den Schlüssel

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