Feuer Und Stein
allen vieren zu den beiden hinüber.
Ich nahm Arthurs Kopf zwischen die Hände und versuchte, seinen Kiefer auseinanderzuzwingen. Nach den Geräuschen zu schließen, die er von sich gab, vermutete ich, daß er sich vielleicht an einem Stück Fleisch verschluckt haben könnte, das ihm noch in der Luftröhre steckte.
Die Kieferknochen waren jedoch völlig verkrampft, die Lippen blau und mit schaumigem Speichel bedeckt, was nicht zu meiner Vermutung paßte. Er war kurz vor dem Ersticken.
»Schnell, legt ihn auf die Seite«, sagte ich. Mehrere Hände griffen sofort zu und drehten den schweren Körper um. Ich schlug ihm fest zwischen die Schulterblätter. Der massive Rücken erzitterte leicht, aber es tat keinen Ruck, der angezeigt hätte, daß sich ein Brocken gelöst haben könnte.
Ich packte eine fleischige Schulter und drehte ihn wieder auf den Rücken. Geillis beugte sich dicht über sein starres Gesicht, rief seinen Namen und massierte ihm den fleckigen Hals. Die Augen blickten jetzt nach oben, und die Fersen trommelten langsamer auf den Boden. Die Hände, die sich qualvoll verkrampft hatten, fuhren plötzlich auseinander.
Plötzlich hörte er auf, nach Luft zu ringen. Der massige Körper wurde schlaff und lag wie ein Sack Gerste auf dem Steinboden. Hektisch ergriff ich ein Handgelenk und tastete nach dem Puls. Offenbar tat Geillis dasselbe; sie bohrte ihre Fingerspitzen in das Fleisch unter dem Kiefer auf der Suche nach der Halsschlagader.
Unsere Bemühungen waren zwecklos. Arthur Duncans Herz, das sich schon seit vielen Jahren damit überanstrengt hatte, das Blut durch diesen massigen Körper zu pumpen, hatte den Kampf aufgegeben.
Ich versuchte es mit allen Wiederbelebungsmaßnahmen, die mir
zur Verfügung standen, obwohl ich wußte, daß sie jetzt nichts mehr nützen konnten, Brustmassage, sogar Mund-zu-Mund-Beatmung, so unangenehm mir das war, aber Arthur Duncan war tot.
Erschöpft richtete ich mich auf und machte Vater Bain Platz, der mir einen bösen Blick zuwarf, sich neben den Prokurator kniete und in aller Hast die Sterberiten vollzog. Mir tat alles weh, und mein Gesicht fühlte sich sonderbar taub an. Die ganze Aufregung um mich herum schien weit entfernt, so als trennte mich ein durchsichtiger Vorhang von der Menge im Saal. Ich schloß die Augen und fuhr mir mit der Hand über die brennenden Lippen, als wollte ich den Geschmack des Todes abwischen.
Trotz des Todes des Prokurators und der darauf folgenden Totenfeierlichkeiten wurde die Hirschjagd des Herzogs nur um eine Woche verschoben.
Die Tatsache, daß Jamies Abreise nun unmittelbar bevorstand, war sehr bedrückend; ich erkannte plötzlich, wie sehr ich mich darauf freute, ihn nach dem Tagwerk beim Abendessen zu sehen, und wie sehr ich Stärke und Zuversicht brauchte, um mit dem Burgleben zurechtzukommen. Und, um die Wahrheit zu sagen, wie sehr ich seine geschmeidige, warme Kraft jeden Abend im Bett genoß und die lächelnden Küsse, mit denen er mich weckte. Die Aussicht, allein hierzubleiben, war scheußlich.
Er hielt mich eng an sich gedrückt, und ich schmiegte meinen Kopf unter sein Kinn.
»Du wirst mir fehlen, Jamie«, sagte ich leise.
Er zog mich noch enger an sich und gab einen wehmütigen Ton von sich.
»Du mir auch, Sassenach. Ich war nicht darauf gefaßt, um ehrlich zu sein, aber es fällt mir schwer, dich zu verlassen.« Er streichelte mir den Rücken und glitt mit den Fingern zärtlich über jeden Wirbel.
»Jamie … wirst du dich in acht nehmen?«
»Vor dem Herzog oder vor dem Pferd?« Er hatte die Absicht, mit Donas auf die Hirschjagd zu gehen, was mir große Sorgen machte. Ich stelle mir vor, wie der riesige Hengst aus schierer Querköpfigkeit über ein Kliff sprang oder Jamie mit seinen tödlichen Hufen zertrampelte.
»Vor beiden«, sagte ich trocken. »Wenn dich das Pferd abwirft und du dir ein Bein brichst, dann hat dich der Herzog in der Hand.«
»Das ist wahr. Aber Dougal ist ja auch noch da.«
Ich schnaubte. »Er wird dir das andere Bein brechen.«
Er lachte und beugte sich über meine Lippen.
»Ich paß schon auf, mo duinne . Versprichst du mir dasselbe?«
»Ja«, sagte ich und meinte es ernst. »Denkst du an die Verwünschung?«
Sein Lachen verschwand.
»Vielleicht. Ich glaube zwar nicht, daß du in Gefahr bist, sonst würde ich dich nicht allein lassen. Aber dennoch … übrigens, halte dich fern von Geillis Duncan.«
»Warum denn?« Ich löste mich ein wenig und schaute zu ihm auf. Die Nacht war
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