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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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wußte, was jetzt kommen würde.
    »Und als die Sonne aufgegangen ist, sind mein Mann und ich
hin, um nachzuschauen. Und da war bloß der Wechselbalg, tot auf dem Felsen, und keine Spur von unserem eigenen kleinen Kind.« Hier brach ihr die Stimme, und sie schlug die Schürze vors Gesicht, um ihre Tränen zu verbergen.
    Als wäre dies das Signal gewesen, teilte sich die Menge, und Peter, der Fuhrmann, trat hervor. Ich stöhnte innerlich auf, als ich ihn sah. Ich hatte gespürt, wie sich die Stimmung gegen mich gerichtet hatte, während die Frau sprach; alles, was jetzt noch fehlte, war, daß dieser Mann dem Gericht vom Wasserpferd erzählte.
    Mit sichtlichem Genuß warf sich der Fuhrmann in die Brust und deutete mit einer dramatischen Geste auf mich.
    »Mit Fug und Recht nennt ihr sie eine Hexe, Euer Ehren! Mit meinen eigenen Augen habe ich gesehen, wie diese Frau ein Wasserpferd aus den Fluten des Evil Loch heraufbeschworen hat! Ein furchterregendes Ungetüm, hoch wie eine Tanne, mit einem Hals wie eine riesige blaue Schlange, Augen groß wie Äpfel, mit einem Blick, daß einem schier die Seele aus dem Leib fahren könnte.«
    Die Richter schienen von dieser Aussage beeindruckt und flüsterten einige Minuten miteinander, während Peter mich mit einem schadenfrohen Blick musterte.
    Nach einer Weile gab der dicke Richter John MacRae einen gebieterischen Wink.
    »Büttel!« rief er und deutete auf den Fuhrmann. »Nehmen Sie diesen Mann und stellen Sie ihn wegen öffentlicher Trunkenheit an den Pranger. Das hier ist ein ehrwürdiges Gericht; wir wollen unsere Zeit nicht mit den nichtigen Anschuldigungen eines Trunkenbolds verschwenden, der Wasserpferde sieht, wenn er zuviel Whisky getrunken hat!«
    Peter war so überrascht, daß er nicht einmal Widerstand leistete, als John MacRae mit festem Schritt auf ihn zuging und ihn am Arm packte. Als er abgeführt wurde, warf er mir noch einen lodernden Blick zu. Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, ihm einen kleinen Abschiedsgruß nachzuwinken.
    Die Spannung hatte kurzzeitig nachgelassen, aber nun wendeten sich die Dinge rapide zum Schlechten. Eine ganze Prozession von Mädchen und Frauen kam nach vorne. Sie schwörten, sie hätten alle möglichen Zaubermittel von Geillis Duncan gekauft - um jemandem eine Krankheit anzuhängen, ein unerwünschtes Kind
abzutreiben oder einen Mann in den Liebesbann zu schlagen. Sie beteuerten ausnahmslos, daß die Mittel gewirkt hätten - ein Allgemeinarzt würde vor Neid erblassen. Zwar schrieb mir niemand solche Fähigkeiten zu, aber einige gaben wahrheitsgemäß an, daß sie mich verschiedentlich in Mrs. Duncans Kräuterzimmer gesehen hatten, wo ich Arzneien gemischt und Kräuter zerstoßen hätte.
    Das wäre mir vielleicht noch nicht zum Verhängnis geworden; ebenso viele bezeugten, daß ich sie mit ganz normalen Arzneien geheilt hätte, ohne irgendwelche Zaubersprüche oder sonstigen Hokuspokus. Unter dem Druck der öffentlichen Meinung vorzutreten und zu meinen Gunsten auszusagen, erforderte einiges an Mut, und ich war diesen Leuten äußerst dankbar.
    Meine Füße schmerzten vom langen Stehen; während die Richter relativ bequem saßen, gab es für die Gefangenen keine Stühle. Als jedoch der nächste Zeuge auftrat, vergaß ich meine Füße vollständig.
    Mit einem Gespür für Dramatik, das dem von Colum in nichts nachstand, stieß Vater Bain die Kirchentür auf und trat auf den Platz. Auf eine Eichenkrücke gestützt, hinkte er mühsam nach vorne. Er verbeugte sich vor den Richtern, drehte sich dann um und ließ die Augen über die Menge schweifen, bis der Lärm abflaute und nur noch ein bedrücktes Gemurmel zu hören war. Als er den Mund auftat, war seine Stimme wie das Zischen einer Geißel.
    »Über euch, Volk von Cranesmuir, wird Gericht gehalten! Ihr seid vom Pfad der Gerechten abgekommen! Ihr habt Wind gesät und Wirbelsturm geerntet!«
    Ich staunte über diese unverhoffte rhetorische Begabung. Vielleicht war er nur in Krisensituationen zu solchen oratorischen Höhenflügen fähig. Die peitschende Stimme donnerte weiter.
    »Die Pest wird über euch kommen, und ihr werdet an euren Sünden sterben, es sei denn, ihr läutert euch! Ihr habt die Hure Babylon in eurer Mitte willkommen geheißen.« Nach dem lodernden Blick zu schließen, den er zu mir hinüberschoß, mußte wohl ich damit gemeint sein. »Ihr habt eure Seele an eure Feinde verkauft, ihr habt die englische Schlange am Busen genährt, und jetzt kommt die Rache des

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