Feuer Und Stein
Menge weckten meine schlimmsten Befürchtungen. John MacRae packte mich mit der einen und
Geillis mit der anderen Hand, aber er bekam reichlich Hilfe. Boshafte Hände rissen an meinen Kleidern, zwickten mich und stießen mich vorwärts. Irgendein Idiot hatte eine Trommel und schlug darauf einen Rhythmus, der die Menge noch mehr anheizte. Einige verfielen in einen Sprechchor, den ich aber im allgemeinen Gejohle nicht verstehen konnte und auch nicht wollte.
Die Prozession ging über die Wiese hinunter zu dem kleinen hölzernen Kai am Loch. Wir wurden ans Ende geführt, wo sich die beiden Richter aufgebaut hatten. Jeff wandte sich zu der Menge, die am Ufer stand.
»Bringt die Seile!« Die Leute murmelten und schauten einander vorwurfsvoll an, bis einer hastig mit einer Rolle dünnem Seil angelaufen kam. MacRae nahm sie und ging zögernd auf mich zu. Ein Blick auf die Richter schien ihm die nötige Entschlossenheit zu verleihen.
»Bitte würden Sie Ihre Schuhe entfernen, Madam!« befahl er.
»Was zum Teu - wofür?« fragte ich mit verschränkten Armen.
Er war auf Widerspruch offensichtlich nicht vorbereitet, aber einer der Richter kam seiner Antwort zuvor.
»Das ist das übliche Verfahren - die Wasserprobe. Die Angeklagte wird gebunden, der rechte Daumen an den großen Zeh des linken Fußes, und der linke Daumen an den großen Zeh des rechten Fußes. Und dann …« Er warf einen vielsagenden Blick auf den Loch. Zwei Fischer standen mit hochgerollten Hosenbeinen am Wasser und grinsten mich erwartungsfroh an.
»Sobald sie im Wasser ist«, fiel der kleine Richter ein, »wird sich zeigen, ob sie eine Hexe ist. Eine Hexe schwimmt, weil die Reinheit des Wassers eine sündenbefleckte Person abstößt. Eine unschuldige Frau sinkt.«
»Mir bleibt also die Wahl, als Hexe verurteilt oder freigesprochen, aber ertränkt zu werden?« zischte ich. »Nein, vielen Dank!« Ich umklammerte meine Ellbogen noch fester, um das Zittern einzudämmen, das mir in Fleisch und Blut übergegangen zu sein schien.
Der kleine Dicke blies sich auf wie eine Kröte in Gefahr.
»Ohne Erlaubnis hast du vor dem hohen Gericht nicht zu sprechen, Frau. Wagst du es, dich einer gesetzmäßigen Untersuchung zu widersetzen?«
»Ob ich es wage, mich dem Tod durch Ertränken zu widersetzen?
Ja, allerdings!« rief ich aus. Zu spät fiel mein Blick auf Geillis, die wie verrückt den Kopf schüttelte, so daß die blonden Haare um ihr Gesicht tanzten.
Der Richter befahl MacRae: »Ziehen Sie sie aus und peitschen Sie sie.«
Ich hörte ein kollektives Seufzen, das ich zunächst für eine Äußerung des Entsetzens hielt, das in Wahrheit aber Vorfreude signalisierte. Und ich erkannte, was Haß bedeutete - nicht ihr Haß, meiner. Ich hatte das Gefühl, kaum noch etwas zu verlieren zu haben, und machte es ihnen nicht leicht.
Grobe Hände stießen mich vorwärts und rissen an meiner Bluse und meinem Mieder.
»Laß mich los, du verdammtes Scheusal!« schrie ich und trat einen von den Kerlen dahin, wo es am schmerzhaftesten war. Er krümmte sich und verschwand in der Masse der johlenden, spukkenden Zuschauer. Mehrere Hände packten mich an den Armen und zerrten mich vorwärts. Jemand schlug mir so fest in den Magen, daß ich keine Luft mehr bekam. Mein Mieder war inzwischen völlig zerrissen, so daß mir die letzten Fetzen ohne Schwierigkeiten vom Leib gerissen werden konnten. Ich hatte nie an übermäßiger Schamhaftigkeit gelitten, aber hier halbnackt vor dieser feindseligen Masse zu stehen, mit den Abdrücken verschwitzter Hände auf den Brüsten, war eine Demütigung, die mich mit einem Haß erfüllte, wie ich ihn mir nie hätte vorstellen können.
John MacRae legte mir eine Schlinge um die Handgelenke und zog sie fest. Er hatte die Güte, beschämt auszusehen, aber er wich meinem Blick aus. Es war klar, daß ich von dieser Seite weder Hilfe noch Milde erwarten konnte; er war der Masse nicht weniger ausgeliefert als ich.
Kein Zweifel, Geillis erging es nicht besser. Ich erhaschte einen Blick auf ihr flatterndes, platinblondes Haar. Man hatte mich unter eine große Eiche geführt. Das Seilende wurde über einen Ast geworfen und straff gezogen, so daß es mir die Arme nach oben riß. Ich biß die Zähne zusammen und klammerte mich an meine Wut, das einzige, was ich meiner Angst entgegensetzen konnte. Jetzt herrschte atemlose Stille, nur unterbrochen von einzelnen anfeuernden Schreien.
»Gib es ihr, John! Los, mach schon!«
John MacRae, der wußte, was auf
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