Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
dieser Bühne von ihm verlangt
wurde, zögerte kunstvoll, die Peitsche horizontal geneigt, und ließ die Augen über die Menge wandern. Er trat vor und brachte mich in die richtige Position. Nun war mein Gesicht so nah am Baum, daß es fast die rauhe Rinde berührte. Dann ging er zwei Schritte zurück, holte aus und ließ die Peitsche zischend niedersausen.
    Der Schock war schlimmer als der Schmerz. Erst nach einigen Schlägen merkte ich, daß der Dorfbüttel sein Bestes tat, um mich im Rahmen seiner Möglichkeiten zu schonen. Dennoch waren ein oder zwei Hiebe genug, die Haut zu zerfetzen.
    Ich hatte die Augen fest geschlossen, preßte die Wange gegen das Holz und versuchte mit allen Kräften, irgendwo anders zu sein. Plötzlich hörte ich etwas, das mich augenblicklich ins Hier und Jetzt zurückbrachte.
    »Claire!«
    Das Seil, mit dem meine Hände gefesselt waren, gab nach, gerade genug, daß ich mich umwenden konnte. Der nächste Peitschenhieb ging ins Leere, der Büttel stolperte, verlor das Gleichgewicht und schlug sich unter den Hohnrufen der Menge den Kopf an.
    Die Haare klebten mir am Gesicht, das voller Schweiß, Tränen und Schmutz war. Ich schüttelte es aus den Augen und riskierte einen Blick, der bestätigte, was ich gehört hatte.
    Jamie kämpfte sich rücksichtslos durch die Masse. Sein Gesicht glühte vor Zorn. Trotz der entsetzlichen Gefahr für Geillis und mich und nun auch für Jamie war ich noch nie so glücklich gewesen über die Ankunft eines Menschen.
    »Der Hexenmann!« - »Ihr Mann, ja er ist’s!« - »Nehmt ihn auch fest!« - »Zum Teufel mit dem Hexenpack!« - »Verbrennt sie, verbrennt sie alle!« Die Hysterie der Menge, momentan abgelenkt durch das Mißgeschick des Büttels, stieg wieder zum Siedepunkt.
    Jamie, der von den Gehilfen des Dorfbüttels festgehalten wurde, kam nicht weiter. An jedem Arm hing ihm ein Mann, und es gelang ihm nicht, mit der Hand an den Gürtel zu kommen. Jemand glaubte, Jamie wollte ein Messer ziehen, und schlug ihm die Faust in den Bauch.
    Jamie krümmte sich, richtete sich aber gleich wieder auf und stieß dem Kerl den Ellbogen auf die Nase. Dadurch bekam er einen Arm vorübergehend frei - den zeternden Kerl auf der anderen Seite ignorierte er - und konnte in eine Felltasche greifen. Er hob den
Arm und warf. Im selben Augenblick, als sich das Objekt aus seiner Hand löste, hörte ich ihn schreien:
    »Claire! Steh still!«
    Wo sollte ich auch hin, dachte ich benommen. Etwas Dunkles kam auf mich zugeflogen, und ich wollte schon zurückweichen, konnte aber gerade noch stehenbleiben. Mit einem klirrenden Geräusch landete der schwarze Rosenkranz wie ein Lasso auf meinen Schultern. Er blieb an meinem rechten Ohr hängen. Ich schüttelte den Kopf, die Kette legte sich ganz um meinen Hals, und das Kruzifix baumelte zwischen meinen nackten Brüsten.
    Die Gesichter in den vorderen Reihen starrten mit ungläubigem Entsetzen auf. Die erschrockene Stille breitete sich allmählich nach hinten aus. Jamies Stimme, die normalerweise weich war, selbst wenn er sich ärgerte, übertönte jetzt alles. Sie hatte absolut nichts Weiches an sich.
    »Bindet sie los!«
    Die Kerle hatten von ihm abgelassen, und die Menge teilte sich, um ihm den Weg nach vorne freizugeben. Der Büttel, dem der Unterkiefer nach unten gefallen war, starrte ihn wie gebannt an.
    »Ich habe gesagt, bindet sie los!« Der Dorfbüttel hatte plötzlich eine Vision, in der er den Tod in Gestalt eines rothaarigen Teufels auf sich zukommen sah. Hastig griff er nach seinem Dolch. Mit einem Schlag durchtrennte er das gestraffte Seil, und meine Arme fielen wie Holzklötze nach unten. Ich stolperte und wäre gefallen, wenn mich nicht eine starke vertraute Hand am Ellbogen ergriffen und hochgezogen hätte. Dann sank mein Kopf an Jamies Brust, und nichts berührte mich mehr.
    Jamies Arm hielt mich fest. Er hatte sein Plaid über mich geworfen, so daß ich meine Nacktheit endlich vor den lüsternen Blicken der Zuschauer verbergen konnte. Alle möglichen Stimmen riefen wirr durcheinander, aber die Menge war nicht mehr so blutrünstig.
    Die Stimme von Mutt - oder war es Jeff? - schnitt durch die Verwirrung.
    »Wer sind Sie? Was erlauben Sie sich, die Untersuchungen des Gerichts zu stören?«
    Ich spürte mehr, als daß ich es sah, wie sich die Menge nach vorne drängte. Jamie war groß, und er war bewaffnet, aber er war allein. Ich drückte mich unter den Falten des Plaids an ihn. Sein rechter Arm spannte sich noch fester um

Weitere Kostenlose Bücher