Feuer Und Stein
Jamie, sondern auch ich voll eingespannt. Zum ersten Mal verstand ich, warum die Schotten Faulheit dermaßen verabscheuten; früher - oder vielleicht sollte ich sagen, später - hatte ich das eher schnurrig gefunden, aber jetzt sah ich, daß Faulheit nicht nur als Zeichen moralischer Verworfenheit betrachtet wurde, sondern auch als ein Vergehen gegen die natürliche Ordnung.
Dennoch gab es auch jene besonderen Momente, die nur allzuschnell wieder zerrannen, wo alles stillzustehen und die Existenz in vollkommenem Gleichgewicht zu sein schien - wie der Augenblick, in dem Hell und Dunkel ineinander übergehen und man von beiden oder von keinem umgeben ist.
So ein Augenblick war es, als ich am Abend des zweiten oder dritten Tages nach unserer Ankunft auf einem Zaun hinter dem Haus saß. Mein Blick schweifte über die braunen Felder hinter dem Steinturm und über die Baumgruppe oben am Paß, die sich schwarz vom perlfarbenen Abendhimmel abhob. Die Schatten verschmolzen mit der Dämmerung, und die Entfernung der Dinge voneinander war kaum mehr auszumachen.
Die Luft roch nach Frost, und ich wußte, daß ich bald hineingehen mußte, aber ich wollte den Zauber der stillen Schönheit des Augenblicks nicht brechen. Plötzlich legte mir Jamie, den ich nicht hatte kommen hören, ein schweres Wollcape über die Schultern. Erst als mich der dicke Stoff einhüllte, merkte ich, wie sehr ich gefroren hatte.
Zusammen mit dem Umhang umfingen mich auch Jamies Arme, und ich lehnte mich leicht zitternd an ihn.
»Ich habe vom Haus aus gesehen, wie du frierst«, sagte er und rieb meine Hände. »Wenn du nicht aufpaßt, erkältest du dich.«
»Und du?« Ich drehte mich zu ihm um. Er hatte nichts an außer Hemd und Kilt und schien sich darin durchaus wohl zu fühlen, obwohl es zunehmend kälter wurde. Nur die leichte Rötung seiner Nase zeigte an, daß es kein lauer Sommerabend war.
»Ich bin daran gewöhnt. Schotten sind nicht so dünnblütig wie
die Blaunasen aus dem Süden.« Er küßte mich lächelnd auf die Nase. Ich faßte ihn bei den Ohren und lenkte seine Liebkosungen ein kleines Stück nach unten.
Es dauerte lang genug, um unsere Körpertemperatur aneinander anzugleichen, und als er mich schließlich losließ, sang mir das Blut warm in den Ohren. Ich lehnte mich zurück und versuchte, auf dem Zaun mein Gleichgewicht zu halten. Der Wind blies mir einzelne Haarsträhnen ins Gesicht. Jamie breitete sie wie einen Fächer aus, so daß die untergehende Sonne von hinten hindurchschien.
»Du siehst aus, als hättest du einen Heiligenschein«, sagte er leise. »Ein Engel mit einer goldenen Krone.«
»Und du auch«, antwortete ich und fuhr ihm mit den Fingern zärtlich übers Kinn. »Warum hast du es mir nicht früher gesagt?«
Er wußte, was ich meinte. Er zog eine Augenbraue hoch und lächelte.
»Ich wußte, daß du mich nicht heiraten wolltest. Ich hatte nicht die Absicht, dich mit einem solchen Geständnis zu belasten oder mich lächerlich zu machen. Es war mir klar, daß du nur neben mir lagst, weil du einem Versprechen treu warst, das du lieber gar nicht erst gegeben hättest.« Er grinste und kam meinem Protest zuvor. »Jedenfalls beim ersten Mal. Ich habe meinen Stolz, Frau.«
Ich streckte die Arme aus und zog ihn an mich, so nah, daß er zwischen meinen Beinen stand. Ich fühlte, daß seine Haut doch kühl war, und schlang ihm die Beine um die Hüften und das Cape um uns beide. Unter dem wärmenden Stoff legte er seine Arme eng um mich und drückte meine Wange gegen seine Brust.
»Geliebte«, flüsterte er. »O meine Geliebte, wie sehr ich dich begehre.«
»Nicht dasselbe, oder? Lieben und begehren, meine ich.«
Er lachte leise in mein Ohr. »Aber verdammt nah beieinander, Sassenach, jedenfalls für mich.« Ich spürte die Intensität seines Verlangens hart und drängend. Plötzlich machte er einen Schritt zurück, beugte sich herunter und hob mich vom Zaun.
»Wohin gehen wir?« Er führte mich vom Haus weg zu den Schuppen, die im Schatten der Ulmen standen.
»In einen Heustadel.«
28
Küsse und Unterhosen
Nach und nach fand ich in Lallybroch meinen Platz. Da Jenny die langen Wege zu den Katen der Pächter nicht mehr bewältigen konnte, übernahm ich diese Aufgabe, manchmal begleitet von einem Stallburschen, manchmal von Jamie oder Ian. Ich brachte ihnen Lebensmittel und Medizin mit, behandelte die Kranken und gab ihnen Ratschläge zur Gesundheit und Hygiene, die mit mäßiger Begeisterung aufgenommen wurden.
In
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