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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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pinkeln. Denke, das ist das mindeste, was sein Onkel für ihn tun kann.«
    Ich zog eine Augenbraue hoch. »Worte kosten nichts. Wie wär’s mit einer Vorführung?«
    Er grinste. »Wir haben schon ein paar praktische Demonstrationen hinter uns. Das letzte Mal hatten wir aber doch einen kleinen Unfall.« Onkel und Neffe warfen sich vorwurfsvolle Blicke zu.
    »Brauchst mich gar nicht so anzuschauen«, wehrte sich Jamie. »Es war deine Schuld. Ich habe dir gesagt, du sollst stillhalten.«
    »Aha«, meinte Jenny trocken und betrachtete ihren Bruder und ihren Sohn kritisch. Klein Jamie streifte verlegen den Kittel über den Kopf, aber Groß Jamie stand fröhlich grinsend auf, klopfte sich den Schmutz von den Kleidern, legte eine Hand auf den verhüllten Kopf seines Neffen und drehte ihn in Richtung Haus.
    »Alles zu seiner Zeit, kleiner James. Erst arbeiten wir, dann waschen wir uns, und dann ist es, Gott sei Dank, Zeit fürs Abendessen.«
     
    Nachdem Jamie die dringendsten Angelegenheiten erledigt hatte, nahm er sich am nächsten Nachmittag Zeit, mir das Haus zu zeigen. Es war im Jahre 1702 erbaut und wirklich modern für seine Zeit, mit Kachelöfen und in der Küche einem großen Backofen, so daß man das Brot nicht mehr in der Asche der Feuerstelle backen mußte. Die Wände der Eingangshalle, des Treppenhauses und des Salons waren mit Bildern geschmückt, überwiegend Ahnenporträts, aber auch ein paar Landschaftsszenen und Tierbilder.
    Ich stand vor einem Bild, das Jenny als junges Mädchen zeigte. Sie saß lachend vor der Gartenmauer, eingerahmt von rotblättrigem Wein. Oben auf der Mauer kämpften Vögel um die beste Position, Spatzen, eine Drossel, eine Lerche und sogar ein Fasan.
Das Bild hob sich deutlich von den anderen ab, auf denen dieser oder jener Vorfahre in formvollendeter Haltung aus dem Rahmen herausschaute, als würde ihn sein gestärkter Kragen quälen.
    »Meine Mutter hat das gemalt«, sagte Jamie, der mein Interesse bemerkt hatte. »Im Treppenhaus hängt noch mehr von ihr. Dieses hat sie am liebsten gemocht.« Ein großer Finger berührte die Leinwand und fuhr zärtlich über die roten Weinblätter. »Das waren Jennys zahme Vögel. Jeder, der einen Vogel mit einem lahmen Bein oder einem gebrochenen Flügel fand, brachte ihn zu Jenny, und in wenigen Tagen war er wieder gesund und fraß ihr aus der Hand. Dieser hier hat mich immer an Ian erinnert.« Er deutete auf den Fasan, der die Flügel ausgebreitet hatte, um sein Gleichgewicht zu halten, und anbetend auf seine Herrin schaute.
    »Du bist schrecklich, Jamie«, sagte ich lachend. »Gibt es auch ein Bild von dir?«
    »Aye.« Er führte mich an die gegenüberliegende Wand.
    Zwei rothaarige Knaben im Schottenkaro saßen neben einem riesigen Jagdhund und starrten ernst aus dem Rahmen. Bei dem Hund mußte es sich wohl um Nairn handeln, Brans Großvater. Jamie war auf dem Bild kaum älter als zwei. Er stand zwischen den Knien seines älteren Bruders Willie, der mit elf an den Pocken gestorben war, und seine kleine Hand ruhte auf dem Kopf des Hundes.
    Auf der Reise von Leoch hierher hatte mir Jamie von Willie erzählt. Er hatte eine kleine Schlange aus seiner Felltasche hervorgezogen, die aus Kirschbaumholz geschnitzt war.
    »Willie hat sie mir zu meinem fünften Geburtstag geschenkt«, sagte er und strich liebevoll über die Biegungen des Holzes. Es war eine komische kleine Schlange, mit vielen Windungen: den Kopf hatte sie nach hinten gewendet, als würde sie über die Schulter schauen, wenn Schlangen Schultern hätten.
    Jamie reichte mir den kleinen Gegenstand, und ich drehte ihn behutsam hin und her.
    »Was ist hier in die Unterseite geritzt? S-a-w-n-y. Sawny?«
    »Das bin ich«, sagte Jamie und schien ein bißchen verlegen. »Es ist ein Spitzname, kommt von Alexander, meinem zweiten Vornamen. So hat mich Willie immer genannt.«
    Die Gesichter auf dem Bild ähnelten sich sehr; alle Fraser-Kinder hatten diesen geraden, offenen Blick. Auf diesem Bild hatte
Jamie allerdings noch eine Stupsnase, und seine Backen waren rund, anders als bei seinem Bruder, dessen kräftige Knochen bereits verhießen, daß ein starker Mann aus ihm werden würde, ein Versprechen, das nie eingelöst wurde.
    »Mochtest du ihn sehr gern?« fragte ich mitfühlend und legte ihm eine Hand auf den Arm. Er nickte und schaute in die Flammen.
    »O ja«, sagte er mit einem wehmütigen Lächeln. »Er war fünf Jahre älter als ich, und ich dachte, er sei Gott oder zumindest Christus. Bin

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